Liebe will gepflegt werden. Auch die Liebe zu Gott.
Liebe will gepflegt werden. Auch die Liebe zu Gott.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 8. Sonntag im Jahreskreis, 26. Februar 2006,
(Mk 2,18-22)
Es wird heute weniger und später geheiratet. „Ehe ohne Trauschein“ ist für viele – zumindest in den ersten Jahren – der Weg des Zusammenlebens. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Man traut sich nicht, sich trauen zu lassen, weil Bindungen heute brüchig sind und weil Scheidung weh tut. Es ist oft wirtschaftlich günstiger, und es ist einfach der Trend der Zeit, unverheiratet den Weg gemeinsam zu gehen.
Trotz alledem ist der Traum von der „Traumhochzeit“ nicht ausgeträumt. Es ist, als wäre das Bild von Braut und Bräutigam tief im menschlichen Herzen verwurzelt. Bei vielen kommt früher oder später der Wunsch auf, doch „richtig“ zu heiraten. Ist das nur Tradition, schöner Brauch? Es ist mehr, glaube ich.
Hochzeit ist so etwas wie ein „Urbild“. Manche Psychologen nennen es „Archetyp“, ein tief in der Seele verwurzeltes Bild, das etwas von den Ursehnsüchten der Menschen ausdrückt. Bräutigam und Braut, der „Bund fürs Leben“, „Treue bis zum Tod“, „Einssein für immer“, das sind nicht nur romantische Vorstellungen. Und obwohl so viele Beziehungen scheitern und zerbrechen, ist immer wieder die große Hoffnung da, dass Ehe gelingt.
Jesus nennt sich heute selber „Bräutigam“. Seine Jünger nennt er „die Hochzeitsgäste“. Und wenn sie miteinander essen (es wird im armen Galiläa kein sehr üppiges Mahl gewesen sein), dann nennt er das „Hochzeitsmahl“. Wo ist die Braut? Von ihr ist nicht die Rede. Und doch hat jeder seiner damaligen Zuhörer verstanden, wer sie ist.
Im Alten Testament bezeichnet Gott sich selber - durch seine Propheten - als Bräutigam seines Volkes. Die Braut ist also das auserwählte Volk, die Juden. Die Hochzeit ist der Bund, den Gott mit ihnen am Berg Sinai geschlossen hat. Wird diese „Ehe“ glücken? Der Bräutigam ist treu. Wird es auch die Braut sein? Er hat einen Bund für immer geschlossen. Wird sein Volk den Bund halten?
Das ist der Hintergrund der Worte Jesu. Er wagt es, sich selber wie Gott als „Bräutigam“ seines Volkes zu bezeichnen. Jetzt, wo er da ist, wo er zu den Menschen gekommen ist, ist Hochzeit. Es ist eine Zeit zum Freuen und Feiern, wie sich’s für eine Hochzeit gehört. Wo aber ist die Braut?
Die christlichen Mystiker sagen, die Seele sei die Braut. Christus wolle sich mit jeder Menschenseele verbinden. Zwischen Gott und Mensch kann es eine Gemeinschaft geben, die so herzlich und innig ist wie die zwischen Bräutigam und Braut. Und auch so treu, so haltbar, so ausschließlich.
Ehen halten aber oft nicht. Und die Beziehung des Menschen zu Gott kann lau, lahm und brüchig werden. Gott scheint dann so fern, ungreifbar. Was tun, wenn „der Bräutigam ihnen genommen ist“, wie Jesus sagt? Dann, so sagt er, sei es Zeit zum Fasten, nicht zum Festen. Das heißt doch: dann ist es Zeit, Gott neu zu suchen, umzukehren durch Beten, Fasten, Buße.
Am Mittwoch beginnt die Fastenzeit. Vierzig Tage, um erneut Ordnung in mein Leben zu bringen. Anfang aller Neubesinnung ist es, nachzudenken, wie es mit meiner Beziehung zu Gott steht. Auch Ehen brauchen Zeiten der Erneuerung. Liebe kann rosten oder frisch bleiben. Liebe will gepflegt werden. Auch die Liebe zu Gott. Dann wird Ostern ein echtes Fest sein.
Da die Jünger des Johannes und die Pharisäer zu fasten pflegten, kamen Leute zu Jesus und sagten: Warum fasten deine Jünger nicht, während die Jünger des Johannes und die Jünger der Pharisäer fasten?
Jesus antwortete ihnen: Können denn die Hochzeitsgäste fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist? Solange der Bräutigam bei ihnen ist, können sie nicht fasten.
Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; an jenem Tag werden sie fasten.
Niemand näht ein Stück neuen Stoff auf ein altes Kleid; denn der neue Stoff reißt doch vom alten Kleid ab, und es entsteht ein noch größerer Riss.
Auch füllt niemand neuen Wein in alte Schläuche. Sonst zerreißt der Wein die Schläuche; der Wein ist verloren, und die Schläuche sind unbrauchbar. Neuer Wein gehört in neue Schläuche.