.... macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
.... macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 3. Fastensonntag 19. März 2006,
(Joh 2,13-25)
War Jesus gewalttätig? Die Tempelreinigung war eine recht handfeste Aktion. Empört über das Geschäftstreiben im Heiligtum des Tempels in Jerusalem knüpft Jesus aus Stricken eine Geißel und beginnt, die Händler zum Tempel hinauszutreiben. Er stürzt die Tische der Geldwechsler um. "Heiliger Zorn" hat ihn gepackt. Die Geschäftemacherei im Tempel ist ihm unerträglich.
Hat Jesus also doch nicht vor Gewaltanwendung zurück geschreckt? Ist das Christentum von seiner Wurzel her doch nicht friedfertig? Wenn sein Gründer mit Gewaltaktionen seine religiösen Überzeugungen durchzusetzen versucht hat, was Wunder, wenn seine Jünger es ihm nachgemacht haben. Neben so vielem Guten gibt es in der Geschichte des Christentums leider auch viel Gewalt: gewaltsame Missionierung ganzer Völker, Religionskriege zwischen Christen, zwischen Christen und anderen Religionen, besonders dem Islam.
So fehlt es heute nicht an Stimmen, die behaupten, Religionen seien besonders für Gewalt anfällig. Wer feste religiöse Überzeugungen hat, sei in Gefahr, sie anderen aufzunötigen, und falls dies nicht friedlich gehe, greife man leicht zur gewalttätigen "Bekehrung" des anderen.
Stimmt das? Sind Religionen ihrer Natur nach intolerant und gewalttätig? Vom Islam behaupten das viele. Ist es berechtigt? Auch der Buddhismus, der als ganz friedlich gilt, kann heute ein gewaltbereites Gesicht zeigen (siehe Sri Lanka). Der Hinduismus kennt zur Zeit schlimme Gewaltausbrüche (siehe Indien).
Oder liegt das einfach daran, dass wir alle, als Menschen, eine Neigung zur Gewalt in uns tragen, die unter bestimmten Umständen ausbrechen kann? Dann lautet die Frage: Fördert die Religion den bösen Hang in uns Menschen, mit Gewalt zuzuschlagen? Ich kenne die anderen Religionen zu wenig. Vom christlichen Glauben gilt das, so meine ich, nicht.
Die "Tempelreinigung" war die einzige Gewaltanwendung, die wir von Jesus kennen. Sehen wir uns nüchtern an. Jesus hat keine Waffen (die waren im Tempel verboten). Er "kämpft" alleine, ausgerüstet nur mit einer Strickgeißel. Beim jüdischen Osterfest waren über 100.000 Pilger in Jerusalem. Tausende Schafe wurden für das Ostermahl zum Kauf angeboten. Die Aktion Jesu hat sie sicher nicht alle aus dem großen Vorhof des Tempels verjagen können. In dem unbeschreiblichen Treiben, das im Tempel herrschte, blieb seine Aktion weitgehend unbemerkt. Was wollte Jesus damit?
Sicher keinen Krieg, keine Revolution, keinen Massenaufstand gegen die Römer. Jesus hat ein Zeichen gesetzt. "Macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle". Er hat sich dagegen gewehrt, dass alles zum Geschäft wird, selbst das Heiligste, der Tempel Gottes.
Gewalt übt nicht die Religion aus, sondern die Geschäftemacherei. Um Macht und Geld werden die Kriege geführt, und die Religion wird oft zu diesem Zweck missbraucht. Jesus hat nicht zum Krieg aufgerufen, sondern zur Umkehr. Dafür hat er Gewalt erlitten. Dafür ist er bereit gewesen, sein Leben zu geben. Jesus hat nicht zum Schwert gegriffen, sondern zum Kreuz. Er hat es selber getragen und nicht anderen aufgeladen. Dieser Weg hat Frieden gebracht. Wenn wir ihn heute gehen, wird es Frieden geben, nicht Terror, Krieg und Gewalt.
Das Paschafest der Juden war nahe, und Jesus zog nach Jerusalem hinauf.
Im Tempel fand er die Verkäufer von Rindern, Schafen und Tauben und die Geldwechsler, die dort saßen. Er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle aus dem Tempel hinaus, dazu die Schafe und Rinder; das Geld der Wechsler schüttet er aus, und ihre Tische stieß er um. Zu den Taubenhändlern sagte er: Schafft das hier weg, macht das Haus meines Vaters nicht zu einer Markthalle!
Seine Jünger erinnerten sich an das Wort der Schrift: Der Eifer für dein Haus verzehrt mich. Da stellten ihn die Juden zur Rede: Welches Zeichen lässt du uns sehen als Beweis, dass du dies tun darfst?
Jesus antwortete ihnen: Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.
Da sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wurde an diesem Tempel gebaut, und du willst ihn in drei Tagen wieder aufrichten?
Er aber meinte den Tempel seines Leibes.
Als er von den Toten auferstanden war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte.
Während er zum Paschafest in Jerusalem war, kamen viele zum Glauben an seinen Namen, als sie die Zeichen sahen, die er tat.
Jesus aber vertraute sich ihnen nicht an, denn er kannte sie alle und brauchte von keinem ein Zeugnis über den Menschen; denn er wusste, was im Menschen ist.