Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.
Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 7. Sonntag der Osterzeit, 28. Mai 2006,
(Joh 17, 6a.11b-19)
Pfingsten ist nahe. Der nächste Sonntag ist schon Pfingstsonntag. Ein langes Wochenende, viel Verkehr und hoffentlich schönes Wetter. Und sonst noch etwas? Der Heilige Geist? Wer oder was ist das? Eine Taube? So wird er dargestellt, symbolisch. „Komm, Heiliger Geist“, so wird in diesen Tagen gebetet. Aber warum wird da gebetet? Und was wird an diesem langen Pfingstwochenende eigentlich gefeiert?
Vor drei Tagen war „Christi Himmelfahrt“. Dank freigenommenem oder schulautonomen Freitag wieder ein langes Wochenende, extralang, gleich vier Tage an einem Stück. Viel Verkehr. Hoffentlich keine Toten! Und nochmals: Was wird da eigentlich gefeiert? Manchmal zum Ärger der Wirtschaft ob so vieler Feiertage. Zumindest dafür wäre der Kirche zu danken, dass sie uns so viele Festtage „beschert“ hat, auch wenn wenig daran gedacht wird, wieso hier eigentlich Feiertage sind.
Zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten liegt der heutige Sonntag. Er sagt uns, worum es Jesus ging und geht, ob wir daran denken oder nicht. Das heutige Evangelium ist ein einziges Gebet: Jesu Abschiedsgebet, innig und erschütternd. Es ist wie Jesu Testament. Angesichts seines Todes, in seiner letzten Nacht auf Erden, fasst er alles zusammen, was ihm wichtig ist. Er tut es in der Form eines Gebetes. Er betet zum Vater. Nur er kann Gott so vertraut ansprechen. Einen Moment lang lässt uns Jesus in sein Herz schauen. Er lässt uns sozusagen „mithören“ an seinem Gespräch mit Gott.
Um uns Menschen geht es in diesem Gebet, um die Sorge Jesu, was aus uns Menschen wird: „Vater, ich habe deinen Namen den Menschen geoffenbart“. Deinen Namen, das heißt dich selbst! Jesus hat den Menschen Gott gezeigt. Er hat ihnen gezeigt, dass Gott Vater ist, Vater wie kein anderer. Vater, der sorgt und dem sie vertrauen können. Dass die Menschen das nie vergessen, dafür betet Jesus.
Wenn wir Menschen vergessen, dass Gott unser aller Vater ist, dann kommt Uneinigkeit auf. Deshalb betet Jesus, dass alle seine Jünger, alle Kinder Gottes, eins seien. Nicht irgendwie sollen sie eins sein, wie eine Partei, ein Verein, eine Interessensgemeinschaft, sondern „wie wir“, wie Jesus mit Gott seinem Vater. Eins sein wie die Dreifaltigkeit, darum betet Jesus für die Menschen. Nur wo die Liebe ist, wird diese Einheit spürbar. Nur wo wir einander als Kinder Gottes sehen und annehmen, kann diese Einheit ein wenig näher kommen.
Denn noch sind wir weit davon entfernt. „In der Welt“ geht’s meist anders zu. Da ist viel Zwietracht und Uneinigkeit. Da herrscht Hass und Bosheit. Deshalb betet Jesus für seine Jünger, Gott der Vater möge sie vor dem Bösen bewahren. Er will und kann uns, solange wir hier leben, nicht aus der Welt herausnehmen. Aber er will, dass wir vor den Gefahren der Welt beschützt seien.
Und das wir vor der Lüge bewahrt bleiben: „Heilige sie in der Wahrheit“, so betet er für uns. Dass nichts Falsches, kein Ungeist, keine Verlogenheit sich unter uns Menschen breit mache, darum bittet Jesus den Vater. Da bleibt viel zu tun. Denn vieles liegt im Argen. Viel Heiliger Geist tut Not. Darum betet die Kirche auf Pfingsten hin täglich: Komm, Heiliger Geist! Damit unserer Zeit der Geist nicht ausgeht.
Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast.
Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir. Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast. Und ich habe sie behütet, und keiner von ihnen ging verloren, außer dem Sohn des Verderbens, damit sich die Schrift erfüllt. Aber jetzt gehe ich zu dir.
Doch dies rede ich noch in der Welt, damit sie meine Freude in Fülle in sich haben. Ich habe ihnen dein Wort gegeben, und die Welt hat sie gehasst, weil sie nicht von der Welt sind, wie auch ich nicht von der Welt bin.
Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst. Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der Welt bin.
Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt.
Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind.