Er war wie wir - einfach und arm hat er gelebt. Und war doch ganz anders: Gottes Sohn.
Er war wie wir - einfach und arm hat er gelebt. Und war doch ganz anders: Gottes Sohn.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 14. Sonntag im Jahreskreis, 9. Juli 2006,
(Mk 6,1b-6)
Was ist er schon Besonderes? Für wen hält er sich eigentlich? Solche und ähnliche Fragen stellten sich die Leute in Nazareth, als Jesus zu ihnen auf Besuch kam. Zweifellos ist er der berühmteste Bürger des kleinen Städtchens in Galiläa. "Jesus von Nazareth", so steht es auf der Inschrift, die Pilatus am Kreuz hat anbringen lassen. "Der König der Juden", hat er spöttisch dazufügen lassen.
Wie sind die Leute in Nazareth mit ihrem berühmt gewordenen Mitbürger umgegangen? Schlecht! Man kann es nicht anders nennen. Lukas berichtet uns sogar, dass seine Mitbürger über ihn so aufgebracht waren, dass sie ihn vom Felsen der Stadt hinunterstürzen wollten.
Das Wort Jesu ist zum Sprichwort geworden. "Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie." Bei uns spricht man von einem typisch österreichischen Schicksal, wenn jemand erst im Ausland Anerkennung findet und erst nach seinem Tod in der eigenen Heimat berühmt wird.
Was aber war das Besondere an der Ablehnung Jesu durch seine Landsleute? Der Evangelist Markus gibt uns zwei wichtige Informationen. Jesus selber war Zimmermann. Er hat das Handwerk seines Ziehvaters Joseph weitergeführt. Ein Zimmermann kann nicht alleine arbeiten. Hatte Jesus einen eigenen Betrieb, mit Mitarbeitern, mit allem, was dazu gehört: der Konkurrenz, dem Wettbewerb, den Kostenvoranschlägen, den Abrechnungen? Sicherlich kannte Jesus das harte und herausfordernde tägliche Leben eines kleinen oder mittleren Betriebes. Und die Leute kannten ihn und seine Arbeit.
Und sie kannten seine Familie. Da ist die Rede von vier Brüdern und von Schwestern Jesu. Wer waren sie? Hatte seine Mutter Maria weitere Kinder? Die älteste Überlieferung ist einhellig: Jesus war das einzige Kind von Maria. Seine "Geschwister" waren, nach semitischer Ausdrucksweise, seine Verwandten. Einer von ihnen, Jakobus, der "Herrenbruder" genannt, wurde später der Leiter der Gemeinde von Jerusalem, als Petrus weg musste.
"Man" kennt ihn also in seiner Heimatstadt Nazareth, ihn und seine ganze Sippe. "Man" glaubt ihn zu kennen. Und deshalb wundert man sich über seine plötzliche Berühmtheit. So ist man blind und taub, und statt sich zu freuen, dass hier eine mächtige Stimme zu hören ist, eine helfende Hand, die viele Kranke heilt, kommt als einzige Antwort dumpfer Unglaube, das typische "eh schon wissen", das sich von Gott nicht mehr überraschen lässt.
Nazareth ist heute in ganz Europa, so sehe ich es. Wir Europäer, seit Jahrhunderten an diesen Jesus gewohnt, glauben ihn eh schon zu kennen. Den ganzen Rummel um Dan Brown und "Sakrileg" sehe ich so: In Grunde will man nicht gelten lassen, dass Jesus anders ist als" jedermann". Er war wie wir - einfach und arm hat er gelebt. Und war doch ganz anders: Gottes Sohn. Aber wer das annimmt, schenkt ihm Glauben und lässt sich auf ihn ein. Genau das taten sie nicht - in Nazareth.
Jesus kam in seine Heimatstadt; seine Jünger begleiteten ihn.
Am Sabbat lehrte er in der Synagoge. Und die vielen Menschen, die ihm zuhörten, staunten und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist!
Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen! Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und der Bruder von Jakobus, Joses, Judas und Simon? Leben nicht seine Schwestern hier unter uns?
Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab.
Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat, bei seinen Verwandten und in seiner Familie.
Und er konnte dort kein Wunder tun; nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie.
Und er wunderte sich über ihren Unglauben. Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte.