Freiwerden von allen Bindungen, loslassen alles Liebgewordenen, so müssen wir die letzte Reise antreten.
Freiwerden von allen Bindungen, loslassen alles Liebgewordenen, so müssen wir die letzte Reise antreten.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 15. Sonntag im Jahreskreis, 16. Juli 2006,
(Mk 6,7-13)
Bei unserer letzten Reise werden wir wenig Gepäck brauchen. "Nehmt nichts auf den Weg mit", sagte Jesus den zwölf Aposteln, als er sie zum ersten Mal aussandte. Was nehmen wir nicht alles mit auf unseren Lebensweg! Schon von früh an laden wir Gepäck auf. Wir brauchen es ja auch: die Erziehung von klein an; die Schule, um Wissen und Können zu erwerben; die Lebenserfahrung, um sich auf dem Weg durchs Leben zurechtzufinden; Besitz erwerben, vielleicht ein Haus bauen, eine Familie gründen; ein Geschäft beginnen, Erfolg im Beruf haben; den Besitz vermehren. Wachstum, Wachstum, heißt die Devise heute.
So gehen die Jahre der Lebensreise dahin. Es gibt Rückschläge und Enttäuschungen. Schmerz und Leid kommen zum Reisegepäck dazu. Viel Unerledigtes lastet im Rucksack, den wir auf dem Weg tragen, aber es gibt auch Schönes, Gelungenes und Beglückendes, das den Weg leichter und unbeschwerter macht.
Einmal kommt die Zeit, da wir alles Gepäck, das sich da angesammelt hat, wieder abgeben müssen. Bei manchen geht es allmählich, bei anderen recht plötzlich. Zum Schluss heißt es: "Nehmt nichts auf den Weg mit!" Freiwerden von allen Bindungen, loslassen alles Liebgewordenen, so müssen wir die letzte Reise antreten. Das gilt für alle, Reiche wie Mittellose, Fromme und weniger Fromme.
Einige unter uns haben den Auftrag, schon lange vor der letzten Stunde alles loszulassen, um nur für das Eine zu leben: Jesus und seine frohe Botschaft. Die Ersten in der langen Geschichte des Christentums waren die zwölf Apostel. Ohne große Ausrüstung, ohne Geld und Proviant hat Jesus sie losgesandt. Sie sollten ganz frei sein für das Evangelium, unabhängig und mobil. Sie sollten ganz auf Gottes Vorsehung vertrauen. Wo sie hinkamen sollten sie durch ihr anspruchsloses, einfaches Leben und durch ihr glaubwürdiges Zeugnis zur Umkehr einladen, Kranken Hoffnung und Heilung bringen und Menschen aus dämonischen Bindungen heraushelfen.
Seit diesen ersten Zwölf haben in jeder Generation Menschen diesen Weg beschritten, haben alles verlassen und sind ohne große Mittel, ohne Pomp und Macht aufgebrochen, um von der Freude des Evangeliums Jesu Zeugnis zu geben.
Einer von ihnen war der Gründer des Ordens, dem ich angehöre, der hl. Dominikus. Als er in Südfrankreich erlebte, wie die Menschen sich zu Tausenden der Sekte der Albigenser anschlossen, wurde ihm klar, dass er ihnen die Umkehr zum Evangelium, die Heimkehr zur Kirche nicht nahe bringen konnte, wenn er mit Prunk und Macht daherkam.
Jesus Beispiel bewog ihn, alles zu verlassen und bettelarm zu leben. Wie die ersten Apostel wollte er ganz auf Gottes Vorsehung vertrauen. Bald schlossen sich viele Brüder an. Es wurde eine große Erneuerungsbewegung der Kirche.
Und heute? Es gibt sie wieder, jene Männer und Frauen, die, wie etwa die "Gemeinschaft vom Lamm", in Armut und Bescheidenheit uns das Evangelium vorleben und uns daran erinnern, dass wir auf die letzte Reise nichts mitnehmen können - außer der Liebe, die wir geschenkt haben.
Er rief die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen.
Er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen.
Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst. Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter, und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie.
Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.