Eine Zeit der Erholung tut einfach gut. Und sie ist notwendig. Sie ist kein Luxus.
Eine Zeit der Erholung tut einfach gut. Und sie ist notwendig. Sie ist kein Luxus.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 16. Sonntag im Jahreskreis, 23. Juli 2006,
(Mk 6,30-34)
Heute schreibe ich die „Gedanken zum Sonntagsevangelium“ in Italien, im Urlaub, aus Padua, der Stadt des heiligen Antonius. Diese Stelle des Evangeliums ist für mich so etwas wie eine Urlaubseinladung Jesu. Erinnern wir uns an den Zusammenhang. Jesus hat die Apostel zum ersten Mal „auf Mission“ geschickt. Sie sollten nichts mitnehmen, sich ganz auf Gottes gute Vorsehung verlassen und zu den Leuten gehen, die Heilung und Hilfe von Gott erhofften.
Voll der Erfahrungen und Eindrücke dieser ersten Mission kehren sie zu Jesus zurück, der sie ausgiebig erzählen lässt. Aber es fehlt die Ruhe. Ein Ständiges Kommen und Gehen. Dauernd wollen Menschen Jesus sehen, hören, berühren. Der Wirbel ist so groß, dass sie nicht einmal Zeit zum Essen finden.
Da beschließt Jesus: es ist Zeit, ein wenig auszuruhen, weg vom Stress. Jesus denkt an einen abgelegenen Ort am See. Dort wollten sie hinfahren: Kommt, ruht ein wenig aus. Wie gut kann ich diesen Wunsch nachempfinden! Nach einem höchst intensiven Arbeitsjahr, nach all den vielen Begegnungen, Aufgaben, Terminen, einfach ein wenig „abschalten“, ausspannen, damit der Bogen nicht überspannt wird und die Kräfte aufgezehrt sind. „Burn-out“ nennt man das heute, weil alles auf Englisch sein muss. Ja, die Gefahr, ausgebrannt zu werden, bedroht heute viele von uns.
So ist das heutige Evangelium wirklich so etwas wie eine Einladung Jesu, Urlaub zu machen: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus.“
Doch es kam ganz anders. Einige Leute sehen, wie Jesus und die Apostel im Boot wegfahren. Es spricht sich schnell herum. Und schon laufen die Leute dem Ufer entlang in die Richtung, in die das Boot fährt. Als es am ersehnten einsamen Uferplatz landet, ist eine unübersehbare Menschenmenge da.
Vorbei ist es mit dem Urlaub. Ich versuche mir die Gesichter der Apostel vorzustellen. Wie hätte ich reagiert? Wie geht es mir, wenn meine Urlaubspläne plötzlich durchkreuzt werden? Wenn Krankheit und Sorgen nötigen, die Ferien abzubrechen?
Der Evangelist sagt nichts über die Gesichter der Apostel. Wohl aber über Jesus. „Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“. Kein Wort der Klage, dass jemand seine Ruhe stört. Kein böses Wort über die Leute, die ihm mit ihren Nöten und Sorgen keine Pause gönnen. Seine Kraft holt sich Jesus in den langen Stunden der Nacht, wenn er einsam beten geht. Das ist sein „Urlaub“. Die Apostel sind noch nicht so weit. Ich auch nicht. Eine Zeit der Erholung tut einfach gut. Und sie ist notwendig. Sie ist kein Luxus.
Was tun, wenn es anders kommt? Wenn die Urlaubszeit ausfällt? Die Jünger reagieren aggressiv. „Schick die Leute weg“, werden sie am Abend dieses Tages sagen. Ich kann sie verstehen. Jesus macht es anders. Er zeigt ihnen, dass sie Freude (und damit auch Entspannung) finden, wenn sie sich auf die Not einlassen, die ihnen begegnet. Gutes tun kann mehr Erholung schenken als ein Urlaub, in dem ich nur an mich selber denke. Das haben die Apostel an diesem Tag erlebt.
Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten.
Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus. Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen. Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein
.Aber man sah sie abfahren, und viele erfuhren davon; sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an.
Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange.