Was sie erlebten, war nichts anderes als das Hereinbrechen der göttlichen Wirklichkeit in ihre irdische Welt.
Was sie erlebten, war nichts anderes als das Hereinbrechen der göttlichen Wirklichkeit in ihre irdische Welt.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
zum Fest der Verklärung des Herrn, 6. August 2006,
(Mk 9,2-10)
Am 6. August 1978 starb Papst Paul VI. Im Konklave, das folgte, wurde Albino Luciani, Patriarch von Venedig, zum Papst gewählt. Aus Hochachtung vor seinen beiden Vorgängern, dem guten Papst Johannes XXIII. und Papst Paul VI., nahm er einen ungewohnten Doppelnamen an: Johannes Paul. Er war der erste dieses Namens. Nach nur 33 Tagen starb der "lächelnde Papst", der schwer herzkrank war, an einem Herzversagen (und nicht durch einen Mordkomplott, wie manche behaupten). Im zweiten Konklave dieses "Drei-Päpste-Jahres", am 16. Oktober, wurde der Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla gewählt. Der erste slawische Papst der Kirchengeschichte übernahm den Namen Johannes Paul von seinem Vorgänger. Fast 27 Jahre lang war Johannes Paul II. Papst, sicher einer der größten in der zweitausendjährigen Geschichte des Christentum.
Warum ich das alles heute erwähne? Weil mich immer neu fasziniert, wie Gottes Wege und die Geschichte der Menschen verwoben sind. Es berührt mich jedes Jahr am 6. August, am Fest der Verklärung Christi, dass Papst Paul VI., der so viel gelitten hat, gerade an diesem wunderschönen Fest gestorben ist.
Bilde ich mir das nur ein? Ich kenne viele Beispiele von besonderen "Sterbedaten". Es ist, als wollte Gott auch noch durch den Todestag eine Botschaft für´s Leben geben. Sicher können wir das nicht immer genau feststellen, aber manchmal ist es geradezu auffällig. Ich denke an einen Freund, der an einer schweren Krankheit litt. Wenige Tage vor seinem Tod, es war in der Karwoche, sage er, er werde am Karfreitag sterben. Es war dann der Ostermontag, als er heimging. Ich dachte mir: Gott wollte zeigen, dass er ihn in seine österliche Auferstehung hinein genommen hat.
6. August 1978. Das Fest der Verklärung Christi auf dem hohen Berg. Nur drei Zeugen waren bei diesem unvergesslichen Moment dabei: Petrus, Jakobus, Johannes. Was sie erlebten, war nichts anderes als das Hereinbrechen der göttlichen Wirklichkeit in ihre irdische Welt. Es war, als täte sich für eine Weile der Himmel auf. Sie durften gewissermaßen schon hinüber schauen. Sie konnten, soweit es irdischen Augen möglich ist, die Herrlichkeit Gottes schauen, die in Christus durchstrahlte.
Wie lange dauerte dieser Moment? Wir wissen es nicht. Als er vorbei war, "sahen sie auf einmal niemand mehr bei sich, außer Jesus". Der Alltag war wieder da. Die Welt hatte sie wieder. Aber eine Gewissheit verließ die drei Zeugen nie mehr: Die Welt ist nicht alles. Es gibt "die andere Welt", für einen Augenblick durften sie in dieser sein.
Wer solches erlebt hat, kann es nicht vergessen, auch wenn der Alltag einen wieder einfängt und der Eindruck von dieser Gnadenstunde manchmal verblasst. Wer wach beobachtet, wird aber feststellen, dass es viel mehr Momente gibt, als wir allgemein annehmen, in denen Gottes Welt in unserer Welt aufleuchtet. Es wird einem mehr und mehr vertraut, Zeichen der Nähe Gottes im Alltag zu erkennen. Der Himmel ist nicht fern. Wir sind nur oft so weit von ihm weg.
Für mich bedeutet der 6. August 1978: Der Papst meiner Jugendjahre und jungen Erwachsenenjahre, der so viel kritisiert wurde, so viel gelitten hat, durfte an diesem Fest zu Gott heimgehen - ein Zeichen, dass er in Gottes Herrlichkeit hinein starb. Und ich bin sicher: Auch wir bekommen viele kleine und große Zeichen, dass Gott mitten in unserem Leben da ist, und auch im Sterben!
Sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein.
Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann.
Da erschien vor ihren Augen Elija und mit ihm Mose und sie redeten mit Jesus.
Petrus sagte zu Jesus: Rabbi, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste nämlich nicht, was er sagen sollte; denn sie waren vor Furcht ganz benommen.
Da kam eine Wolke und warf ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören.
Als sie dann um sich blickten, sahen sie auf einmal niemand mehr bei sich außer Jesus.
Während sie den Berg hinabstiegen, verbot er ihnen, irgendjemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei. Dieses Wort beschäftigte sie und sie fragten einander, was das sei: von den Toten auferstehen.