Dann ahne auch ich: Von Jesus und mit ihm kann ich wirklich leben.
Dann ahne auch ich: Von Jesus und mit ihm kann ich wirklich leben.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 20. Sonntag im Jahreskreis, 20. August 2006,
(Joh 6,51-58)
Wie würde es mir gehen, wenn heute ein Mann vor mir stünde und mir sagte, ich solle sein Fleisch essen und sein Blut trinken? Ich kann das Entsetzen ahnen, das die Worte Jesu in der Synagoge von Kapharnaum bei den Zuhörern auslösten. Ich kann gut verstehen, dass ihn daraufhin viele verließen und ihn endgültig für verrückt hielten. Ich kann mir vorstellen, dass damals bei Judas ein „Knacks“ geschah, dass etwas in ihm zerbrochen ist. Diese Worte waren ein endgültiger Schlussstrich unter alle Hoffnungen, die er und viele andere auf Jesus gesetzt hatten. War da nicht die große Erwartung, dass der Mann aus Nazareth das Zeug hatte, Freiheit zu bringen und Frieden zu schaffen?
Wer die heutige Lage im Heiligen Land und seinen Nachbarn ansieht, kann verstehen, wie sehr die Menschen damals auf einen politischen Retter hofften. Doch statt von Leben sichern, spricht Jesus davon, er sei gekommen, sein Leben zu geben. Das könnte man sogar noch im Sinn „weltlicher“ Hoffung verstehen: Es braucht Menschen, die sich aufopfern, die nicht an ihren Profit, sondern an das Wohl der anderen denken und sich dafür verzehren. Gott sei dank gibt es immer wieder solche Menschen, in den so wichtigen Pflegeberufen, aber auch in Wirtschaft und Politik, ja in allen Lebensbereichen.
Aber Jesus geht viel weiter. Und da wird es wirklich schwer verständlich. Er opfert sich nicht nur auf für das Wohl der Menschen wie Eltern für ihre Kinder oder Schwestern für die Kranken. Er gibt sich selbst als Speise und Trank, und wir sollen ihn essen und trinken, uns sein Fleisch und Blut wirklich „einverleiben“.
Kein Wunder, dass schon früh darüber gespottet wurde. Der römische Dichter Petronius stellt in seinem Roman „Satyrikon“ eine Szene mit Anthropophagie (auf deutsch „Menschenfresserei“) dar. Er dürfte sich damit über die Christen lustig gemacht haben, von denen man munkelte, dass sie in ihren Zusammenkünften Menschenfleisch und Menschenblut zu sich nähmen.
Jesus hat trotz der zu erwartenden Missverständnisse in keiner Weise die Schärfe seiner Aussagen abgemildert. Trauen wir uns, diese Worte Jesu so zu nehmen wie er sie gesagt hat?
Wenn ich höre, wie oft abschwächend vom „heiligen Brot“, vom „geweihten Brot“ oder gar nur von der Hostie die Rede ist, habe ich den Eindruck, dass wir auch heute gerne der Wucht und Größe der Worte Jesu ausweichen. Dass Brot und Wein in der heiligen Messe wirklich Fleisch und Blut Jesu sind, das „packt“ nur der Glaube.
Da mein Glaube oft schwach ist, hilft es mir, mich daran zu erinnern, dass es immer wieder Menschen gegeben hat, die ausschließlich nur von der Kommunion gelebt haben, wie etwa die 1981 verstorbene Ordensfrau Marthe Robin in Frankreich. Dann ahne auch ich: Von Jesus und mit ihm kann ich wirklich leben.
Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.
Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, (ich gebe es hin) für das Leben der Welt. Da stritten sich die Juden und sagten: Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?
Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.
Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag. Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise und mein Blut ist wirklich ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm.
Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben. Dies ist das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist.
Mit ihm ist es nicht wie mit dem Brot, das die Väter gegessen haben; sie sind gestorben. Wer aber dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.