Sie haben eine andere Erfahrung gemacht. Deshalb sehen sie Ihn, Jesus, anders, und auch Seine Kirche.
Sie haben eine andere Erfahrung gemacht. Deshalb sehen sie Ihn, Jesus, anders, und auch Seine Kirche.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 21. Sonntag im Jahreskreis, 27. August 2006,
(Joh 6,60-69)
Es kommt zu einer dramatischen Spaltung. Viele gehen - die, die bleiben sind umso überzeugter! So sieht die Lage damals aus, im kleinen Städtchen Kapharnaum am See in Galiläa. So sieht die Lage heute aus, in Österreich, in ganz Europa.
Viele gehen weg von der Kirche. Sehr viele. Woran liegt es? Lassen wir die Schuldzuweisungen. Es ist so! Da hilft es nicht zu sagen: Auch bei der Gewerkschaft gehen viele weg, auch bei den Parteien und Vereinen. Man bindet sich heute nicht gern. Mag sein, dass bei vielen die traditionelle Bindung an die Kirche nachgelassen hat. Unangenehme Hürden wie der Kirchenbeitrag, Skandale in der Kirche - kurzum, es ist heute wie damals: "Daraufhin zogen sich viele Jünger von Jesus zurück und gingen nicht mehr mit ihm." Sie bleiben weg, die meisten ohne viele Worte. Es war für sie vorbei. Kapitel beendet! Abgehakt!
Damals war der letzte Anstoß (es braucht immer einen letzten Anstoß, um den Schritt zu tun!) das, was Jesus über "sein Fleisch essen" sagte. "Was er sagt ist unerträglich." Heute geht es meist um das, was "die Kirche" sagt: "Was sie da für Ansichten vertritt ist unerträglich, eine Zumutung für jeden modernen Menschen."
"Wollt auch ihr weggehen?", fragt Jesus. Einige bleiben. Warum? Sind sie langsamer, dümmer als die, die schon gegangen sind? Sind sie weniger mutig? Weniger frei? Nein, sie haben eine andere Erfahrung gemacht! Petrus sagt es ganz einfach zu Jesus: "Herr, zu wem sollen wir gehen?" Wir haben nirgendwo das gefunden, was wir bei Dir erleben. Wir sind niemandem begegnet, der Dir gleich kommt. Keiner hat Worte wie Du. Keiner ist wie Du!
Bis heute ist es so geblieben. Viele gehen, scharenweise. Einige bleiben. Einige kommen neu dazu. Immer mehr. Warum? Nicht weil sie gescheiter oder besser sind als die, die gehen. Sie haben eine andere Erfahrung gemacht. Deshalb sehen sie Ihn, Jesus, anders, und auch Seine Kirche. Und sogar das, was diese Kirche lehrt, und was sie zu leben versucht, und was sie oft sehr glaubwürdig lebt, nicht nur in Südamerika, bei den Ärmsten, sondern auch bei uns.
"Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes!" Immer mehr Menschen machen heute diese Erfahrung: Jesus zu finden ist unvergleichlich. Zum Glauben an Ihn zu finden, gibt dem Leben neuen Sinn. Wer diese Erfahrung gemacht hat, sieht auch die Kirche Jesu neu. Nicht fehlerlos, aber doch als ein großes Geschenk: die Glaubensgemeinschaft, die trägt und ein Zuhause schenkt.
"Der Geist macht lebendig, das Fleisch nützt nichts." Hat Jesus nicht gerade das Gegenteil gesagt? Wir sollen Sein Fleisch essen, damit Er in uns lebt und wir in Ihm. Genau darüber haben sich ja viele aufgeregt und sind von ihm weggegangen. Das stimmt, aber es stimmt auch, dass es auf den Geist ankommt. Der Geist macht lebendig. Er zeigt ein anderes Bild von Jesus und seiner Kirche. Er hilft, sie neu zu entdecken und zu erleben, dass Jesus lebt, und seine Kirche lebendig ist.
Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören?
Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? Was werdet ihr sagen, wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, dorthin, wo er vorher war?
Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts. Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. Jesus wusste nämlich von Anfang an, welche es waren, die nicht glaubten, und wer ihn verraten würde.
Und er sagte: Deshalb habe ich zu euch gesagt: Niemand kann zu mir kommen, wenn es ihm nicht vom Vater gegeben ist. Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher.
Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen? Simon Petrus antwortete ihm: Herr, zu wem sollen wir gehen?
Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes.