Die Liebe freut sich, wenn der andere gut dasteht.
Die Liebe freut sich, wenn der andere gut dasteht.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 25. Sonntag im Jahreskreis, 24. September 2006,
(Mk 9,30-37)
Wo Menschen sind, da „menschelt“ es. Auch die Apostel sind Menschen. Im heutigen Evangelium „menschelt“ es stark. „Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?“ Auf die Frage Jesu antworten sie nur mit Schweigen. Immerhin ein Zeichen dafür, dass es ihnen peinlich ist, zuzugeben, worüber sie auf dem Weg gesprochen haben. Sie haben nämlich miteinander diskutiert, „wer von ihnen der Größte sei“.
Wie sah diese Diskussion wohl aus? Sie müssen gespürt haben, dass das Ganze recht lächerlich wirkt. Ja, von außen betrachtet sind unsere Streitereien, wer größer ist, eher peinlich. Und doch treiben wir fast ständig dieses Spiel. Denken wir nur ein wenig nach, wie das bei uns selber abläuft. Wie oft versuche ich, mich im Gespräch in ein besseres, vorteilhafteres Licht zu stellen? Meist dadurch, dass ich andere schlechter mache, ihre Fehler erzähle, ihre Schwächen betone.
Deshalb wirken Wahlkämpfe oft so peinlich. Alle Kandidaten müssen sich als die Besten und die anderen als Versager hinstellen. Aber dieses unerfreuliche (und kostspielige) Schauspiel kann uns auch helfen, selbstkritisch unser eigenes Verhalten zu prüfen. Machen wir nicht ständig ein wenig „Wahlkampf“, in dem wir uns selber in den Vordergrund drängen und die anderen abwerten?
Das betretene Schweigen der Apostel sollte mich nachdenklich machen! Ist es nicht viel schöner, sich darüber zu freuen, wenn andere gut dastehen? Es kostet nur eine kleine Selbstüberwindung, sich über das Lob anderer ehrlich zu freuen. Noch besser ist es, sich selber zu bemühen, am anderen das Gute zu betonen, statt das Schlechte herauszustreichen. Irgendetwas Gutes findet sich bei jedem Menschen. Und wenn es nur das eine wäre: daran zu denken, dass Gott auch diesen Menschen liebt, den anzunehmen mir so schwer fällt.
Das war es, worüber Jesus seine Jünger auf dem Weg belehren wollte. Er versuchte ihnen zu erklären, was das Ziel seines Weges war: nicht sich selber zum Besten und Größten zu machen (obwohl gerade er allen Grund dazu hätte). Er hat den letzten Platz gewählt. Wie ein Sklave wird er „den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten“. Nicht Herrschen sondern Dienen ist sein Weg. So sehr wird er Diener aller, dass er für uns sogar sein Leben gibt. So kostbar sind wir für ihn, für so wertvoll gelten wir ihm. Jesus hatte es „nicht nötig“, uns schlecht zu machen, um sich selber besser vorzukommen. Der große Gott will uns nicht klein machen. Die Liebe freut sich, wenn der andere gut dasteht.
Wie kommen wir weg von unseren ständigen Rivalitäten und Rangkämpfen? Jesus nahm ein Kind und stellte es in die Mitte. Kennen Kinder keinen Streit? Gewiss, aber uns Erwachsenen erscheinen diese Streitereien als Kindereien. Unsere „ausgewachsenen“ Konflikte sind es noch vielmehr. Kindisch ist unser Getue! Warum Kinder als Vorbilder? Weil sie nicht heucheln. Weil sie ehrlich und ohne Verstellung sind. Einfach werden wie die Kinder! Schluss mit der Wichtigtuerei! Das lernen wir von den Kindern. Wenn wir noch lernfähig sind.
Sie gingen von dort weg und zogen durch Galiläa. Er wollte aber nicht, dass jemand davon erfuhr; denn er wollte seine Jünger über etwas belehren.
Er sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten; doch drei Tage nach seinem Tod wird er auferstehen.
Aber sie verstanden den Sinn seiner Worte nicht, scheuten sich jedoch, ihn zu fragen. Sie kamen nach Kafarnaum.
Als er dann im Haus war, fragte er sie: Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?
Sie schwiegen, denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer (von ihnen) der Größte sei.
Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein. Und er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.