Es ist die Hoffnung, dass aus Feinden einmal Freunde werden können. Wer mit Jesus geht, trägt im Herzen diese Hoffnung. Und tut alles nur Mögliche, dass sie Wirklichkeit wird.
Es ist die Hoffnung, dass aus Feinden einmal Freunde werden können. Wer mit Jesus geht, trägt im Herzen diese Hoffnung. Und tut alles nur Mögliche, dass sie Wirklichkeit wird.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 26. Sonntag im Jahreskreis, 1. Oktober 2006,
(Mk 9,38-43.45.47-48)
Religion, wie hast du es mit der Toleranz? Diese Frage ist „voll da“. Wie halten es die Christen mit der Toleranz? Wie der Islam? Wie die anderen Religionen? Sind sie insgesamt einfach intolerant? Macht Religion zur Gewalt geneigt?
Der Sturm der Entrüstung war groß, als Papst Benedikt in Regensburg diese Frage aufwarf, auch im Blick auf den Islam. Der Papst weiß nur zu gut, dass auch Christen zur Gewalt neigen. Die Geschichte kennt leider genügend Beispiele.
Das heutige Evangelium ist ein wichtiges Stück der Lehre Jesu in Sachen Toleranz. Wie die meisten von uns waren auch die Apostel für Gewalt und Intoleranz anfällig. Als sie zum Beispiel einmal auf der Durchreise in einem fremden Dorf feindselige Ablehnung erlebten, meinten Jakobus und Johannes, Jesus solle das Dorf mit Blitz und Feuer vom Himmel vernichten. Vielleicht nannte Jesus deshalb die beiden Brüder „Donnersöhne“. Auch Petrus griff zum Schwert und haute drein, als man Jesus gefangen nahm. „Steck dein Schwert in die Scheide“, war Jesu klare Zurechtweisung. Wie oft musste er uns Christen im Lauf der Jahrhunderte daran erinnern: Mit Schwert, Feuer und Gewalt darf seine Lehre nicht verbreitet oder verteidigt werden.
Im heutigen Evangelium geht es um eine mildere Form von Intoleranz. Johannes, einer der beiden „Donnersöhne“, will jemanden daran hindern, im Namen Jesu zu heilen und von Dämonen zu befreien, „weil er uns nicht nachfolgt“. Er will, dass Jesus sozusagen „nur uns gehört“. Haben nur die Christen „Jesus gepachtet“? Christus weist ihn zurecht. Wer in meinem Namen Gutes tut, kann mir nicht feindlich gesonnen sein: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“
Wie tolerant war Jesus? Hat Toleranz Grenzen? Was müssen wir bekämpfen, was ertragen? „Toleranz“ kommt von „tolerare“, ertragen, was uns zuwider ist. Wo wird es unerträglich? Wo dürfen wir nicht mehr „tolerieren“?
Jesus zieht eine klare Grenze: Wer andere zum Bösen verführt, der soll mit einem schweren Stein um den Hals ins Meer geworfen werden. „Null Toleranz“ für Kindesmissbrauch, Verführung zur Droge, Anstiftung zur Gewalt, Vergiftung der Seelen durch Hasspredigten: das alles darf keinerlei Toleranz erfahren. Das Bild vom „Mühlstein um den Hals“ ist nicht eine Aufforderung Jesu zur Todesstrafe, es soll nur das entschiedene Nein zur Toleranz in diesen Fällen zeigen.
Auch das heftige Bild vom Hand-, Fuß- oder Augeausreißen ist nicht wörtlich gemeint. Es will sagen: Gegen unsere eigene Neigung zum Bösen können wir nicht intolerant genug sein. Meist ertragen wir die Fehler anderer sehr wenig, sind aber unseren eigenen Schwächen gegenüber reichlich nachgiebig. Umgekehrt soll es sein. Zornig und „intolerant“ war Jesus nur gegen die Heuchler, die „Wasser predigen und Wein trinken“.
Wie aber, wenn andere mir Böses wollen oder tun? Muss ich da tolerant sein, es ertragen? Für sich hat Jesus es nicht nur ertragen. Er hat seine Feinde sogar geliebt und uns dasselbe geboten. Es ist das schwierigste Gebot des Christentums. Es ist mehr als Toleranz. Es ist die Hoffnung, dass aus Feinden einmal Freunde werden können. Wer mit Jesus geht, trägt im Herzen diese Hoffnung. Und tut alles nur Mögliche, dass sie Wirklichkeit wird.
Da sagte Johannes zu ihm: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt.
Jesus erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen Wunder tut, kann so leicht schlecht von mir reden.
Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.
Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört - amen, ich sage euch: er wird nicht um seinen Lohn kommen.
Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde. Wenn dich deine Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu kommen, in das nie erlöschende Feuer. Und wenn dich dein Fuß zum Bösen verführt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden. Und wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus; es ist besser für dich, einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen zu werden, wo ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.