Jesu Worte vom Ende sollen nicht Panik auslösen, sondern uns helfen, die Zeit gut zu nutzen.
Jesu Worte vom Ende sollen nicht Panik auslösen, sondern uns helfen, die Zeit gut zu nutzen.
Evangelienkommentar von Kardinal Schönborn
für den 33. Sonntag im Jahreskreis, 19. November 2006,
(Mk 13,24-32)
Wenn alle Zeichen auf Untergang hinweisen, dann sprechen wir von „apokalyptischen“ Zuständen. Die Rede Jesu im heutigen Evangelium ist „apokalyptisch“. Jesus spricht vom Ende, von der Endzeit und den Zeichen, an denen sie zu erkennen ist. Sein eigener Tod steht bevor. Den Untergang Jerusalems sieht Jesus voraus. Vierzig Jahre später geschah es dann wirklich. Kündigt er auch das Ende der Welt an? Steht der Weltuntergang vor der Tür?
Spötter mögen sagen: Dort steht er nun schon seit 2000 Jahren, und doch ist die Welt nicht untergegangen. Hat Jesus sich geirrt, wie manche heutige religiöse Gruppe, die immer wieder Weltuntergangstermine angekündigt haben, dann aber das Datum „verschieben“ mussten, weil die Welt bestehen blieb?
„Apokalyptisch“ ist aber nicht nur das Ende der Welt. Einmal wird es sicher kommen, weil diese Erde, ja das ganze Universum vergehen wird, und sei es erst in Milliarden von Jahre. „Apokalyptisch“ kann auch der Untergang von vertrauten Welten sein. Für Millionen war und ist es der Verlust der Heimat durch Krieg und Vertreibung. Eine ganze Welt geht für immer unter! Aber ist es nicht auch ohne Flüchtlingsschicksal so? Wenn ich heute an die Orte meiner Kindheit komme: Wie viel ist anders geworden! Das Dorf, in dem ich Anfang der Fünfzigerjahre aufwuchs, ist kaum mehr wieder zu erkennen. Gott sei Dank sind die Berge geblieben!
Welche Untergänge stehen uns noch bevor? Täglich lesen wir alarmierende Nachrichten über die Erderwärmung, Klimakatastrophen, drohende Epidemien wie die Vogelgrippe. Noch besorgniserregender ist die Entwicklung in Richtung Kampf der Kulturen, Konflikte der Religionen. Steht das Ende vor der Türe? Geht unsere alte europäische Welt unter?
Was sagt Jesus? Gibt er Hoffnung? Zeigt er (Aus-)Wege? Ja, aber keine billigen Ausflüchte. Er sagt zuerst klar und deutlich: „Ihr werdet schwere Zeiten erleben“. Wie anders ist das als die Wahlversprechungen in der Politik. Wie wäre es, wenn wir alle uns ehrlich sagen trauten: Ja, die Zeiten werden schwerer! Ja, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt und den nächsten Generationen ein schweres Erbe auferlegt, mit dem nicht mehr wir, sondern sie fertig werden müssen!
Doch selbst wenn es uns geschenkt ist, in Frieden und sogar in einem gewissen Wohlstand zu leben, wie es für viele Menschen in unserem Land in den vergangenen Jahren war und hoffentlich auch bleiben wird, müssen wir uns auf das Ende vorbereiten. Es kommt gewiss, für mich, für jeden. Hier auf Erden werden wir nicht bleiben.
Jesu Worte vom Ende sollen nicht Panik auslösen, sondern uns helfen, die Zeit gut zu nutzen. Sie ist einmalig. Sie kommt nicht wieder. Darum ist sie so kostbar. Steht also das Ende vor der Türe? Ja, aber dieses Ende hat einen Namen. Gott klopft an die Türe meines Lebens. Jesus ist nahe. Wenn ich Ihm aufmache, brauche ich das Ende nicht zu fürchten. Und keinen Untergang. Er wird mich auffangen.
Aber in jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden.
Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen. Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels.
Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr (all) das geschehen seht, dass das Ende vor der Tür steht.
Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.
Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.