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05.01.2016 · Gedanken zum Evangelium

Wenn Religionen einander begegnen

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 6. Jänner 2016 (Mt 2,1-12)

Ein Mosaik-Bild dieser Art rettete einst die Geburtskirche in Bethlehem... 

(Foto: Die Heiligen Drei Könige, Basilika Sant'Apollinare Nuovo in Ravenna)

Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 6. Jänner 2016 (Mt 2,1-12)

Das Bild mag überraschen. So stellen wir uns die Heiligen Drei Könige nicht vor. Sie sehen gar nicht aus wie Könige. Und doch hat ein Bild dieser Art einmal die Geburtskirche in Bethlehem gerettet. Das kam so: Im Jahre 614 eroberten die Perser weite Teile des Nahen Ostens, darunter auch das Heilige Land. Sie hinterließen eine Spur der Verwüstung. Besonders auf die christlichen Kirchen hatten sie es abgesehen. Die berühmte Grabeskirche in Jerusalem wurde das Opfer ihrer Brandschatzungen. Ebenso viele andere heiligen Stätten im Land der Bibel.

 

Mit einer Ausnahme: nur die Geburtskirche in Bethlehem ließen sie unberührt, sodass sie heute die älteste Kirche an den Orten des Lebens Jesu ist. Die Chroniken von damals berichten, dass die Perser über dem Tor der Kirche eine Darstellung der „Sterndeuter aus dem Osten“ gesehen hätten. Diese trugen typische persische Kleidung, besonders die unverwechselbaren „phrygischen Mützen“, die in Persien übliche Kopfbedeckung. Deshalb hätten die persischen Eroberer die Geburtskirche in Bethlehem verschont. Als knapp fünfundzwanzig Jahre später die Muslime Jerusalem und das Heilige Land eroberten, achteten auch sie die Kirche, die über der Geburtsgrotte Jesu errichtet war. So blieb sie bis heute erhalten.

 

Ich erinnere an diese Geschichte, weil sie zeigt, wie sehr der Nahe Osten schon damals ein konfliktreicher Unruheherd war und wie sehr die Christen in ihrem Ursprungsland immer wieder bedrängt und verfolgt wurden. Sie macht auch deutlich, wie politische und religiöse Konflikte oft ineinandergreifen, bis heute.

 

Das Kommen der „Weisen aus dem Morgenland“ ist aber auch ein tröstlicher Hinweis, dass die Begegnung der Religionen gelingen kann. Was bewog diese Gelehrten aus dem fernen Persien, sich aufzumachen und in dem unbedeutenden, kleinen Land der Juden nach einem „neugeborenen König“ zu suchen? Wie kamen sie auf die Idee, eine besondere Himmelserscheinung als den Stern dieses Königs der Juden zu deuten? Eine mögliche Erklärung hatte ich bisher zu wenig bedacht. In Persien, im heutigen Iran, lebten damals Nachkommen jener Juden, die fünfhundert Jahre zuvor aus ihrer Heimat verschleppt worden waren. Von diesen „Exiljuden“, die in Persien heimisch geworden waren, könnten die „Sterndeuter“ gehört haben, wie sehr die Juden einen kommenden König ersehnten, den Messias, ihren Erlöser. Eine besondere Planetenkonstellation ihrer Tage sahen sie als Hinweis, dass diese Erwartung jetzt in Erfüllung geht. Die Hoffnung der Juden auf einen Erlöser erfüllte auch sie mit der Sehnsucht nach einem Friedenskönig, nicht nur für die Juden, sondern für alle Völker. Mit dieser Hoffnung machten sie sich auf den weiten Weg.

 

Mich bewegt an dieser Geschichte die Bereitschaft, von einer anderen Religion etwas zu lernen. Diese Gelehrten aus Persien waren offen für das, was sie auch aus anderen Glaubensrichtungen bekommen können. Sonst wären sie nicht bereit gewesen, aufzubrechen und die Mühe der Suche auf sich zu nehmen.

 

Besonders beeindruckt mich jedes Jahr die tiefe, große Freude, die sie empfanden, als sie „ihren“ Stern wieder sahen, der sie nach Bethlehem führte. Sie erlebten das Glück, auf ihrem Weg von Gott geführt zu werden. Das Fest der „Heiligen Drei Könige“, der Sterndeuter aus dem Osten, der Weisen aus Persien, ist ein schöner Anlass, zu hoffen und zu beten, dass die Gläubigen verschiedener Religionen einander in Freude und gegenseitiger Ehrfurcht begegnen können. Jesus, das Kind von Bethlehem, lädt dazu ein!

erstellt von: Kardinal Christoph Schönborn
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Matthäus-Evangelium 2,1-12

 

Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem. Er ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle. Sie antworteten ihm: In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten: Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel. Danach rief Herodes die Sterndeuter heimlich zu sich und ließ sich von ihnen genau sagen, wann der Stern erschienen war. Dann schickte er sie nach Betlehem und sagte: Geht und forscht sorgfältig nach, wo das Kind ist; und wenn ihr es gefunden habt, berichtet mir, damit auch ich hingehe und ihm huldige. Nach diesen Worten des Königs machten sie sich auf den Weg. Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er stehen. Als sie den Stern sahen, wurden sie von sehr großer Freude erfüllt. Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurückzukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.


Kardinal Schönborn

 

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Gedanken zum Evangelium von Kardinal Christoph Schönborn

 

 

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