Heute feiert die Kirche die Empfängnis eines einzigartigen Menschenkindes. Die Eltern Marias, Joachim und Anna, haben ein lang ersehntes Kind empfangen. Sie werden ihm bei seiner Geburt den Namen Maria geben.
Heute feiert die Kirche die Empfängnis eines einzigartigen Menschenkindes. Die Eltern Marias, Joachim und Anna, haben ein lang ersehntes Kind empfangen. Sie werden ihm bei seiner Geburt den Namen Maria geben.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zur Lesung am Fest Maria Empfängnis, 8. Dezember 2016 (Genesis 3,9-15.20)
Warum feiern wir nicht den Tag unserer Empfängnis? Denn da hat alles begonnen, nicht erst bei unserer Geburt. Bei der Geburt „erblicken wir das Licht der Welt“. Aber angefangen hat unser Leben in dem Moment, da Ei- und Samenzelle zusammenkamen und ein neues Leben ins Dasein trat: Seit damals gibt es mich. Da habe ich begonnen. Und von da an wird es mich für immer geben, unzerstörbar selbst durch den Tod. Denn das Leben, das mit unserer Empfängnis begonnen hat, wird in Ewigkeit nicht enden. Das zumindest glaube ich mit einem Großteil der Menschheit.
Oft habe ich mich gefragt: Warum feiern wir nicht den Tag oder die Nacht unserer Empfängnis? Warum reden die Eltern so selten von dem, was doch lebensentscheidend ist für ihre Kinder? Schämen sie sich, ihren Kindern zu erzählen, wann sie entstanden sind? Ist da immer noch ein Hauch von Verdacht, dass da irgendwie etwas Sündhaftes ist, wenn aus der Vereinigung der Eltern ein Kind entsteht? Hat die Kirche nicht selber dazu beigetragen, dass der ganze Bereich der Sexualität als nicht recht anständig angesehen wurde?
Vielleicht hat sogar das heutige Fest dazu beigetragen. Sein Name wird allzu oft missverstanden: Die „Unbefleckte Empfängnis Mariens“ bedeutet nicht, dass unsere Empfängnis durch unsere Eltern „befleckt“ gewesen wäre. Im Gegenteil: Es gibt ja nichts, wo wir Menschen so direkt mit Gott zusammenwirken dürfen, als wenn ein neues Menschenleben gezeugt wird. Es ist das größte Wunder der Natur! Und je tiefer die Forschung in die Sprache der genetischen Codes eindringt, umso staunenswerter ist das Geheimnis unserer Empfängnis.
Heute feiert die Kirche die Empfängnis eines einzigartigen Menschenkindes. Die Eltern Marias, Joachim und Anna, haben ein lang ersehntes Kind empfangen. Sie werden ihm bei seiner Geburt den Namen Maria geben. Maria Geburt feiern wir in neun Monaten, am 8. September. Das Besondere an diesem Kind ist nicht seine Empfängnis, sondern seine Berufung, die Mutter Jesu zu werden. Von ihm gilt, was in der Bibel von einem Propheten gesagt wurde: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt.
Jedes Kind ist einmalig. Jedes liegt Gott am Herzen, und in dem Moment, in dem es empfangen wird, erfüllt sich Gottes Traum: Ein neuer Mensch ist geschaffen! Selbst wenn das Kind unerwartet, ja sogar ungewollt kommt, es ist bei Gott nie ungeliebt. Lange ehe die Eltern zu wissen beginnen, wer ihr Kind eigentlich ist, kennt Gott dieses Kind und seinen Weg.
Was ist aber die besondere Berufung dieses Kindes, dessen Empfängnis wir heute feiern, und die so missverständlich die „Unbefleckte Empfängnis“ genannt wird? Die Geschichte vom Anfang der Bibel kann uns helfen, das besser zu verstehen. Adam und Eva, so wird es symbolisch dargestellt, haben sich verführen lassen. Wir alle sind, bildlich gesprochen, Kinder Adams, Nachkommen der Eva. Alle leiden wir an einer endlosen Geschichte des Bemühens und Versagens, der Sünde und schließlich des Todes. Mit Maria beginnt eine neue Geschichte, ohne die alten Wunden und Makel, unbefleckt von allem Bösen. Maria ist Gottes „Neustart“ in einer allzu belasteten alten Geschichte. Wie sehr brauchen wir einen solchen hoffnungsvollen Neuanfang!
Nachdem Adam vom Baum gegessen hatte, rief Gott, der Herr, ihm zu und sprach: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe dich im Garten kommen hören; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich. Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem zu essen ich dir verboten habe? Adam antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben, und so habe ich gegessen. Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du da getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt, und so habe ich gegessen. Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch sollst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens. Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse. Adam nannte seine Frau Eva - Leben -, denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.
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