Gott handelt ganz anders. Statt zu warten, bis wir uns bessern und uns Ihm wieder nähern, kommt er uns entgegen. Genau darum geht es ja zu Weihnachten. Gott kommt zu uns!
Gott handelt ganz anders. Statt zu warten, bis wir uns bessern und uns Ihm wieder nähern, kommt er uns entgegen. Genau darum geht es ja zu Weihnachten. Gott kommt zu uns!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 8. Jänner 2017 (Mt 3,13-17)
Du kommst zu mir? Diese Frage des Johannes an Jesus bewegt mich. Ich kann mich ein wenig hineinfühlen in das Erstaunen des Johannes. Warum wundert er sich so, dass Jesus zu ihm an den Jordan kommt, um sich von ihm taufen zu lassen? „Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“
Tatsächlich ist das überraschend. Johannes der Täufer hat die Menschen zur Umkehr aufgerufen. Sie sollten sich bekehren, ihr Leben ändern und ihre Sünden bereuen. Und als Zeichen, dass es ihnen damit ernst ist, sollten sie im Jordan untertauchen, sich taufen lassen. Der Ritus des Taufbades sollte die Reinigung von Sünden anzeigen. Der Bußruf des Johannes hat viele bewegt, zu ihm in die Wüste zu kommen, ihm ihre Vergehen zu bekennen, ihre Sünden zu beichten.
Johannes hatte ein großes Anliegen. Um das ging es ihm. Er wollte das Volk vorbereiten auf den, der nach ihm kommen wird, den Messias, Christus. Johannes war überzeugt, dass er nur ein Vorläufer sei, ein Wegbereiter. Die eigentliche große Wende steht erst bevor. Sie wird eintreten, wenn der Messias, wenn Christus kommt. Dann wird die neue Zeit anbrechen. Der Messias wird die Befreiung bringen.
„Du kommst zu mir?“ Johannes ist überrascht. Er kann es nicht fassen. Da kommt Jesus, aber ganz anders als erwartet. Jesus hat sich eingereiht in die lange Menschenschlange, die darauf wartet, von Johannes getauft zu werden. Die sich da anstellen und geduldig warten, sind doch alle Sünder! Sie kommen, weil sie Reue haben und Buße tun wollen. Was macht Jesus mitten unter diesen Leuten? Er ist doch kein Sünder, der umkehren muss. Im Gegenteil: Er soll doch die Menschen von ihren Sünden befreien. Johannes kann es nicht fassen. Er wehrt sich, Jesus wie einen gewöhnlichen Sünder zu taufen. Jesus aber macht ihm Mut: „Lass es nur zu!“ Gott will das so! Seine Sicht ist anders!
Genau darum geht es: Gott sieht das anders als wir Menschen. Wir haben alle mehr oder weniger die Haltung, die Johannes der Täufer ausdrückt. Meist glauben wir, dass wir uns mit Gott gutstellen müssen. Weil wir wissen, dass wir unvollkommen sind, Fehler haben, arme Sünder sind, meinen wir, dass wir Gottes Wohlwollen erst erwerben müssen, indem wir uns bessern, uns bemühen, ordentlich und für Gott annehmbar zu werden. Und dieses Bemühen ist ja auch etwas Gutes.
Aber Gott handelt ganz anders. Statt zu warten, bis wir uns bessern und uns Ihm wieder nähern, kommt er uns entgegen. Genau darum geht es ja zu Weihnachten. Gott kommt zu uns! Er wird Mensch unter uns Menschen. Als Jesus mit dreißig Jahren sein öffentliches Wirken beginnt, geht er zuerst zu Johannes, wie ein Sünder unter den Sündern. Und so macht er es bis heute: Er kommt uns zuvor. Er kommt uns entgegen. Er hat uns gern, auch wenn wir sehr unvollkommen sind. Staunend stellen wir fest: „Du kommst zu mir?“
In jener Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit, die Gott fordert, ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Kaum war Jesus getauft und aus dem Wasser gestiegen, da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe.
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