Johannes sieht Jesus kommen und er erkennt ihn als den, von dem er immer gesprochen hat: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser.“
Johannes sieht Jesus kommen und er erkennt ihn als den, von dem er immer gesprochen hat: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser.“
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 15. Jänner 2017 (Joh 1,29-34)
Die „Krönungsmesse“ von Mozart gehört zu seinen bekanntesten Kompositionen. Unvergesslich ist mir die Messe, die ich vor einigen Jahren im Petersdom in Rom feiern durfte. Die Wiener Philharmoniker spielten die „Krönungsmesse“. Als das Sopran-Solo des „Agnus Dei“ erklang, war das ein unbeschreiblicher Moment. Die Zartheit dieser Klänge ist etwas Einmaliges: „Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.“ „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, erbarme dich unser.“
Heute hören wir jene Stelle des Evangeliums, in der dieses Wort zum ersten Mal ausgesprochen wurde. Seither wird es unzählige Male wiederholt, gesprochen oder gesungen, in allen Sprachen der Welt. Aber was bedeutet es? Was meinte Johannes der Täufer, als er Jesus auf sich zukommen sah und zu den Umstehenden sagte: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt?“ Und was bedeutet es, wenn in jeder heiligen Messe der Priester diese Worte wiederholt, indem er die Hostie hochhebt und den Gläubigen zeigt? Und warum hat gerade dieses Wort Mozart so tief bewegt?
Johannes sieht Jesus kommen und er erkennt ihn als den, von dem er immer gesprochen hat. Es muss eine große Freude für ihn gewesen sein, als er Jesus begegnete: Jetzt wird sich erfüllen, was ich vorausgesagt habe! Was wird geschehen? Nicht eine politische Revolution, nicht eine neue Regierung, ein wirtschaftlicher Aufschwung, eine Zeit des Wohlstands. Eines wird Jesus bewirken, das wichtiger ist als alles andere: Er wird die Sünde der Welt hinwegnehmen.
Ich glaube, wir können nur ahnen, was das bedeutet. Es besagt ja, dass dieser Jesus, der zu Johannes an den Jordan kommt, das ganze Gewicht des Bösen stemmen und wegheben wird. Johannes nennt ihn „das Lamm Gottes“. Ein schwaches Lamm soll die erdrückende Macht allen Übels dieser Welt auf sich laden und beseitigen. Wie soll das gehen? Alle drückt uns mehr oder weniger die Last an Leid, Unrecht, Bosheit, Falschheit, die zum Leben auf dieser Welt gehört. Wie soll Einer das alles hinwegnehmen? Hat Johannes vielleicht geträumt? Hat er sich von Jesus erhofft, dass dieser Eine, der keine weltliche Macht besitzt, mit all dem Bösen hier auf Erden fertig werden kann?
Was denke ich mir dabei, wenn ich in jeder Messe den Versammelten die Hostie zeige mit eben diesen Worten: „Seht, das Lamm Gottes…“? Eine sichere Hoffnung habe ich dabei: Jesus hat das wirklich getan! Als er unschuldig am Kreuz starb, wie ein wehrloses Lamm, da ist die Macht des Bösen gebrochen worden. Da hat er wirklich dem Guten zum Durchbruch verholfen. Seither ist Versöhnung möglich, hat das Böse nicht das letzte Wort. Seither wissen wir, dass Hass durch noch mehr Liebe überwunden werden kann. Johannes der Täufer hat nicht geträumt. Und Mozart hat es zutiefst gespürt und geglaubt, dass „das Lamm Gottes die Sünde der Welt hinwegnimmt“. Und wenn wir seine Musik des „Agnus Dei“ hören, dann ahnen wir, dass einmal alles gut wird.
In jener Zeit sah Johannes der Täufer Jesus auf sich zukommen und sagte: Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt. Er ist es, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der mir voraus ist, weil er vor mir war. Auch ich kannte ihn nicht; aber ich bin gekommen und taufe mit Wasser, um Israel mit ihm bekannt zu machen. Und Johannes bezeugte: Ich sah, dass der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Das habe ich gesehen, und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes.
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