"Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen" - Kein Zweifel: Das Gebot der Feindesliebe ist das schwierigste Gebot Jesu. Aber es ist der einzige Weg, wie die Spirale der Gewalt durchbrochen werden kann.
"Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen" - Kein Zweifel: Das Gebot der Feindesliebe ist das schwierigste Gebot Jesu. Aber es ist der einzige Weg, wie die Spirale der Gewalt durchbrochen werden kann.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 19. Februar 2017 (Mt 5,38-48)
Wie du mir, so ich dir! Das werde ich dir heimzahlen! Doppelt und dreifach! Rache ist eine unbändige Kraft. Sie ist unersättlich. Sie kann zur endlosen Spirale werden. Am Schluss gibt es nur mehr Verlierer. Um Rache geht es in dem berühmten Wort „Aug um Aug, Zahn um Zahn.“
Genauer: um Begrenzung der Rache. Nicht doppelt oder dreifach darf die Rache sein, sondern „nur“ Gleiches mit Gleichem darf vergolten werden. Wurde dir ein Zahn ausgeschlagen, so soll dem, der es getan hat, ebenfalls ein Zahn ausgeschlagen werden. Nicht mehr und nicht weniger. Aber die Wiedergutmachung kann auch anders stattfinden, wenn beide sich gütlich einigen und den Streit beilegen.
Oft wurde gesagt, dieses Gebot des „Aug um Aug“ sei typisch für das Alte Testament, für die jüdische Bibel. Und daraus wurde vorschnell gefolgert: Im Judentum werde die Rache gutgeheißen. In Wirklichkeit ist genau das Gegenteil wahr. Der Grundsatz des „Aug um Aug, Zahn um Zahn“, der im Gesetz des Mose steht, war eine strenge Begrenzung der Rache. Sie darf nicht maßlos werden. Die Bibel weiß, dass die Rachegefühle unersättlich sind, Sie müssen eingedämmt werden, Deshalb sieht die Bibel vor, dass es besser ist, eine angemessene Wiedergutmachung zu leisten, statt endlos auf der Rache zu bestehen.
Jesus geht noch weiter. Wirklich wirksam wird die Gewaltspirale nur durch das Gute durchbrochen. Vergilt Böses nicht mit Bösem! „Leistet dem, der euch Böses antut, keinen Widerstand.“ Mehr noch: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin.“
Ist das lebbar? Verlangt da Jesus nicht zu viel? Jesus meint es offensichtlich ernst. Er legt noch kräftig nach: „Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab.“ Wie soll das funktionieren? Soll ich völlig wehrlos werden? Darf ich nicht auf mein Recht pochen? Verlangt Jesus von mir, dass ich mir alles gefallen lasse? Wo ist da die Grenze? Irgendwie ist das doch übertrieben.
Sicher will Jesus damit nicht alle Rechtsordnungen aufheben. Er predigt nicht das Unrecht und die Willkür. Denn das Recht soll ja gerade die Schwächeren vor den Stärkeren schützen. Was Jesus uns nahelegt, ist der persönliche Weg der Versöhnung. Wie oft könnten endlose Erbstreitereien vermieden werden, wenn die „Spielregeln“ Jesu eingehalten würden.
Nirgendwo wird das deutlicher als beim Gebot der Feindesliebe: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen.“ Kein Zweifel: Es ist das schwierigste Gebot Jesu. Aber es ist der einzige Weg, wie die Spirale der Gewalt durchbrochen werden kann. Im Grunde ist es sehr einfach: Ich muss nur versuchen, im Anderen, der mir feindlich ist, nicht den Feind, sondern den Menschen zu sehen. Am ehesten wird mir das gelingen, wenn ich daran denke: Auch der Andere ist von Gott geliebt. Leicht ist dieser Weg nicht, aber sicher lohnend.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin. Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel. Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm. Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab. Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist.
Die zehn Gebote - eine Einleitung
1. Gebot: Du sollst den Herrn, deinen Gott anbeten und ihm dienen
2. Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren
3. Gebot: Du sollst den Tag des Herrn heiligen
4. Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren
5. Gebot: Du sollst nicht töten
6. Gebot: Du sollst nicht die Ehe brechen
7. Gebot: Du sollst nicht stehlen
8. Gebot: Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen
9. und 10. Gebot: Begehren
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