Jesus wurde versucht wie wir: Er ist Mensch wie wir, doch hat er der Versuchung widerstanden.
Jesus wurde versucht wie wir: Er ist Mensch wie wir, doch hat er der Versuchung widerstanden.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 5. März 2017 (Mt 4,1-11)
Niemand entkommt der Versuchung. Sie ist ein Teil unseres Lebens. Sie ist der Preis unserer Freiheit. Denn nur wer frei ist, kennt die Gefahr, die eigene Freiheit nicht nur zum Guten, sondern auch zum Schlechten zu gebrauchen. Genau das ist ja die Versuchung: Ich kann auch das Böse wählen und wollen und tun.
Jesus wurde versucht wie wir: Er ist Mensch wie wir, doch hat er der Versuchung widerstanden. Heute, am ersten Sonntag der Fastenzeit, ist die Versuchung Jesu das Thema, und wie er sie bestanden hat, und wie wir den Versuchungen widerstehen können, die uns bedrängen.
Als Erstes überrascht mich, dass nicht von sexuellen Versuchungen die Rede ist. Meist denkt man an diese sicher oft sehr starken Versuchungen. Sie begleiten einen meist ein Leben lang. Die drei Versuchungen, denen Jesus nach seiner langen Fastenzeit in der Einsamkeit der Wüste ausgesetzt war, sind nicht weniger stark als die sexuellen Versuchungen. Sie sind aber gefährlicher, weil versteckter. Denn diese Versuchungen kommen mit dem Anschein des Guten. Sie täuschen uns, ja sie können ganz fromm daherkommen. Das ist das Teuflische an ihnen.
Nach vierzig Tagen des Fastens hat Jesus Hunger. Der Versucher rät ihm, seine Macht zu gebrauchen („Wenn du Gottes Sohn bist…“) und Steine zu Brot zu verwandeln. Jesus antwortet mit einem Wort der Bibel: „Der Mensch lebt nicht nur vom Brot…“ Wie oft stellen wir die materielle Sicherheit an die erste Stelle! Bei Bert Brecht heißt es: „Erst kommt das Fressen, und dann die Moral.“ Viktor Frankl, der große Psychologe, der das KZ Auschwitz überlebt hat, sagte, dass es genau umgekehrt ist. Wer nur leiblich zu überleben versuchte, hatte kaum eine Chance. Ohne Liebe, Güte und Hilfsbereitschaft ist das Leben kein Leben.
Die zweite Versuchung Jesu ist die des Erfolgs: Stürze dich vom Tempel herab, Gott wird dich doch beschützen. Und alle werden dich bewundern, und du wirst ganz erfolgreich sein! Der Teufel versucht Jesus mit der Verlockung der Anerkennung. Erfolg ist an sich etwas Erfreuliches. Wir alle brauchen Anerkennung. Die Versuchung besteht freilich darin, alles dem Erfolg unterzuordnen, Anerkennung um jeden Preis zu suchen. Das kann zur Sucht werden, das kann das Leben vergiften.
Die dritte Versuchung ist die gefährlichste: die Versuchung der Macht. Der Teufel verspricht Jesus die Herrschaft über die ganze Welt, „wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest“. Wie viele Diktatoren sind dieser Versuchung erlegen und so Sklaven ihrer Machtgelüste geworden! Die Versuchung der Macht lauert aber auch in unserem Alltag mit den vielen kleinen Machtspielen, durch die wir andere zu beherrschen suchen. Jesus hat diesen drei Versuchungen widerstanden. Deshalb kann er uns helfen, es auch zu schaffen.
In jener Zeit wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, bekam er Hunger. Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er, dich auf ihren Händen zu tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Wieder nahm ihn der Teufel mit sich und führte ihn auf einen sehr hohen Berg; er zeigte ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht und sagte zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest. Da sagte Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen. Darauf ließ der Teufel von ihm ab, und es kamen Engel und dienten ihm.
Die zehn Gebote - eine Einleitung
1. Gebot: Du sollst den Herrn, deinen Gott anbeten und ihm dienen
2. Gebot: Du sollst den Namen Gottes nicht verunehren
3. Gebot: Du sollst den Tag des Herrn heiligen
4. Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren
5. Gebot: Du sollst nicht töten
6. Gebot: Du sollst nicht die Ehe brechen
7. Gebot: Du sollst nicht stehlen
8. Gebot: Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen
9. und 10. Gebot: Begehren
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