Die Begegnung zwischen Jesus und dieser Frau berührt mich immer neu. Sie sagt so viel über die Art, wie Jesus Menschen begegnet, und wie wir einander begegnen könnten, wenn wir seinem Beispiel folgen. (Kardinal Christoph Schönborn)
Die Begegnung zwischen Jesus und dieser Frau berührt mich immer neu. Sie sagt so viel über die Art, wie Jesus Menschen begegnet, und wie wir einander begegnen könnten, wenn wir seinem Beispiel folgen. (Kardinal Christoph Schönborn)
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 19. März 2017 (Joh 4,5-7.9-11.13-19.28-30.40-42)
Mit Frauen redet man nicht, und erst recht nicht mit Frauen einer anderen Religion und Kultur! Das war damals Brauch, nicht nur bei den Juden. In manchen Kulturen ist es bis heute so. Jesus scheut sich nicht, als Jude diese Frau anzusprechen, die da in der Mittagshitze („die sechste Stunde“) mit ihrem Krug zum Jakobsbrunnen kommt.
Die Begegnung zwischen Jesus und dieser Frau berührt mich immer neu. Sie sagt so viel über die Art, wie Jesus Menschen begegnet, und wie wir einander begegnen könnten, wenn wir seinem Beispiel folgen.
Jesus beginnt mit einer Bitte: Gib mir zu trinken! Er kommt nicht mit frommen Reden, sondern mit einer Bitte, fast wie ein Bettler. Denn er hat kein Schöpfgefäß, um sich selber das Wasser aus dem tiefen Brunnen zu besorgen. Wie oft öffnet eine einfache, bescheidene Bitte das Herz des anderen!
Die Frau wundert sich, dass ein Mann, ein Jude, sie, eine Frau und Samariterin, einfach und direkt anspricht und um Hilfe bittet. Ihr Herz öffnet sich. So kann Jesus ihr sein Herz öffnen. Er spricht von einer größeren Gabe, die er ihr geben will, einem Quell, der ein volles, glückliches Leben schenkt.
Plötzlich spricht Jesus ihre Lebenssituation an: Ruf deinen Mann und komm mit ihm her! Sie versucht auszuweichen: „Ich habe keinen Mann!“ Darauf sagt Jesus ihr die bittere Wahrheit über ihr trauriges Leben auf den Kopf zu: „Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt.“
Wie schafft es Jesus, so klar und ohne herumreden die Wahrheit zu sagen, ohne zu verletzen? Es muss im Ton seiner Worte, im Ausdruck seines Gesichts, in seinem Blick etwas gewesen sein, das dieser unglücklichen Frau die Sicherheit gab, nicht verachtet und verurteilt zu sein. Alle wussten, wie sie lebte. Alle kannten ihre endlosen Männergeschichten. Und alle haben über sie getratscht und geurteilt. Und letztlich haben ihre vielen Männer sie wohl nie wirklich geachtet und geliebt. Ich höre in ihrer Antwort an Jesus einen tiefen Schmerz, viel enttäuschte Sehnsucht: „Ich habe keinen Mann!“
Und jetzt geschieht die große Wende in ihrem Leben. Sie läuft in ihr Dorf und sagt: „Da ist ein Mann, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe!“ Plötzlich traut sie sich, ihr verpfuschtes Leben offen anzusprechen. Sie, die ausgestoßene Sünderin, führt nun selber das ganze Dorf zu Jesus hinaus. Und viele entdecken in diesem Juden am Jakobsbrunnen den, dem sie alles anvertrauen können. Denn nicht nur die Frau mit ihren vielen Männern, wir alle brauchen einen, der uns die ganze Wahrheit über unser Leben sagt, ohne uns zu verurteilen. Wie befreiend ist diese Begegnung!
In jener Zeit kam Jesus zu einem Ort in Samarien, der Sychar hieß und nahe bei dem Grundstück lag, das Jakob seinem Sohn Josef vermacht hatte. Dort befand sich der Jakobsbrunnen. Jesus war müde von der Reise und setzte sich daher an den Brunnen; es war um die sechste Stunde. Da kam eine samaritische Frau, um Wasser zu schöpfen. Jesus sagte zu ihr: Gib mir zu trinken! Die samaritische Frau sagte zu ihm: Wie kannst du als Jude mich, eine Samariterin, um Wasser bitten? Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern. Jesus antwortete ihr: Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben. Sie sagte zu ihm: Herr, du hast kein Schöpfgefäß, und der Brunnen ist tief; woher hast du also das lebendige Wasser? Jesus antwortete ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt. Da sagte die Frau zu ihm: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe und nicht mehr hierher kommen muss, um Wasser zu schöpfen. Er sagte zu ihr: Geh, ruf deinen Mann, und komm wieder her! Die Frau antwortete: Ich habe keinen Mann. Jesus sagte zu ihr: Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Mann. Denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt. Die Frau sagte zu ihm: Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist. Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen, eilte in den Ort und sagte zu den Leuten: Kommt her, seht, da ist ein Mann, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe: Ist er vielleicht der Messias? Da liefen sie hinaus aus dem Ort und gingen zu Jesus. Als die Samariter zu ihm kamen, baten sie ihn, bei ihnen zu bleiben; und er blieb dort zwei Tage. Und noch viel mehr Leute kamen zum Glauben an ihn aufgrund seiner eigenen Worte. Und zu der Frau sagten sie: Nicht mehr aufgrund deiner Aussage glauben wir, sondern weil wir ihn selbst gehört haben und nun wissen: Er ist wirklich der Retter der Welt.
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