Ganz früh am Morgen des Sonntags, des ersten Tages der Woche, kommen Frauen, „um nach dem Grab zu sehen“.
(Bild: Fra Angelico. Die drei Marien am Grabe Christi, Fresko, um 1440)
Ganz früh am Morgen des Sonntags, des ersten Tages der Woche, kommen Frauen, „um nach dem Grab zu sehen“.
(Bild: Fra Angelico. Die drei Marien am Grabe Christi, Fresko, um 1440)
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 16. April 2017 (Mt 28,1-10)
Der Ostermorgen beginnt wie für viele Trauernde mit einem Besuch beim Grab. Erst vorgestern war Jesus gestorben. Sein Tod muss eine Qual gewesen sein. Wie können Menschen so grausam sein, andere Menschen auf diese unvorstellbar schreckliche Weise zu töten? Ohnmächtig mussten die Frauen, die Jesus treu begleitet hatten, zusehen, wie er am Kreuz angenagelt allmählich starb. Es muss ja wie eine Erlösung gewesen sein, als endlich der Tod seinem Leiden ein Ende machte. Sie hatten ihn dann gleich beigesetzt in einem nahen Grab.
Wie einen Verbrecher hatte man ihn durch Kreuzigung getötet. Wie einen Gefangenen bewachten jetzt Soldaten seinen Leichnam. Noch über den Tod hinaus haben sie Angst vor ihm. Mit einem großen, schweren Stein ist sein Grab verschlossen. Als genügte es ihnen nicht, dass Jesus wirklich tot ist und fest verschlossen im Grab liegt, müssen sie durch Wachen sicherstellen, dass der Tote im Grab bleibt. Offenbar erinnerten sich die Gegner Jesu, dass er mehrfach gesagt hatte, er werde nach drei Tagen auferstehen. Man kann die Panik der Verantwortlichen verstehen. Bei allem, was sie mit Jesus erlebt haben, sind sie selber nicht sicher, ob er sogar als Toter noch für Überraschungen sorgen könnte. Daher diese Wächter an seinem Grab.
Ganz früh am Morgen des Sonntags, des ersten Tages der Woche, kommen Frauen, „um nach dem Grab zu sehen“. Es ist bis heute so: Die Trauer drängt einen, ans Grab eines geliebten Menschen zu gehen. Was suchen wir, wenn wir Gräber besuchen? Es lindert den Schmerz, sich dem Verstorbenen nahe zu wissen. Es tröstet, wenigstens etwas zu haben, an dem man sich festhalten kann. Dazu hilft das Grab.
Was sich dann ereignet, hat das Leben dieser Frauen ganz verändert. Statt still am Grab zu weinen, werden sie Zeugen eines umwerfenden Ereignisses. Die Wächter in Schreckstarre wie tot, der Grabstein weggewälzt und eine leuchtende Gestalt, die ihnen ein leeres Grab zeigt: „Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden.“ Und als sie mit Furcht und Schrecken vom Grab weglaufen, da begegnen sie Jesus selber. Und jetzt ist es für sie Gewissheit: Er lebt!
Was an diesem Morgen damals in Jerusalem geschah, vermutlich im Jahr 30 unserer Zeitrechnung, ist der Wendepunkt der Menschheitsgeschichte. Das mag übertrieben klingen, ist es aber nicht. Alles in der Natur unterliegt dem unerbittlichen Gesetz von Werden und Vergehen, von Geburt und Tod. Alles, was einmal anfängt, muss einmal enden. Immer steht am Ende der Tod.
Heute hat diese Macht des Todes ein Ende gefunden. Das leere Grab in Jerusalem ist das Zeichen dafür. Einmal ist es umgekehrt: Der Tod steht nicht am Ende des Lebens. Jetzt ist der Tod der Anfang eines Lebens, das nie mehr stirbt. Seit Ostern ist das Grab nicht mehr die Endstation. Der Stein ist nicht nur vom Grab Jesu entfernt. Es ist uns allen zugesagt, dass auch wir leben werden nach dem Tod. Am heutigen Tag wurde diese gute Botschaft zum ersten Mal erlebt und weitergesagt.
Nach dem Sabbat kamen in der Morgendämmerung des ersten Tages der Woche Maria aus Magdala und die andere Maria, um nach dem Grab zu sehen. Plötzlich entstand ein gewaltiges Erdbeben; denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat an das Grab, wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz, und sein Gewand war weiß wie Schnee. Die Wächter begannen vor Angst zu zittern und fielen wie tot zu Boden. Der Engel aber sagte zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier, denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat. Kommt her und seht euch die Stelle an, wo er lag. Dann geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: Er ist von den Toten auferstanden. Er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen. Ich habe es euch gesagt. Sogleich verließen sie das Grab und eilten voll Furcht und großer Freude zu seinen Jüngern, um ihnen die Botschaft zu verkünden. Plötzlich kam ihnen Jesus entgegen und sagte: Seid gegrüßt! Sie gingen auf ihn zu, warfen sich vor ihm nieder und umfassten seine Füße. Da sagte Jesus zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, und dort werden sie mich sehen.
Ostern - Jesus ist auferstanden!
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