Woran erkennt man letztlich den guten Hirten? Jesus gibt eine klare Antwort: „Ich bin die Tür zu den Schafen.“
Woran erkennt man letztlich den guten Hirten? Jesus gibt eine klare Antwort: „Ich bin die Tür zu den Schafen.“
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 7. Mai 2017 (Joh 10,1-10)
Damals, zur Zeit Jesu, war das Bild des Hirten allen vertraut. Hirte und Herde gehören zusammen. Die Herde war der wichtigste Reichtum. Daher war der Hirte so wichtig. Er hatte zu wachen, dass der Herde kein Unglück geschieht. Bedrohungen gab es viele. Räuber konnten die Herde überfallen und ausrauben. Wilde Tiere mussten abgewehrt werden. Der Hirt hat darauf zu schauen, dass keines seiner Tiere sich verirrt und verlorengeht. Und er achtete auf das Wohl und die Gesundheit jedes einzelnen Tieres seiner Herde.
So ist es verständlich, dass das Bild des Hirten vielfach für alle leitenden Berufe verwendet wurde: Vor allem der König galt als Hirte seines Volkes. Aber auch die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft, Öffentlichkeit wurden mit dem Hirtentitel bedacht. Und ganz besonders die religiösen Autoritäten, die Priester, die Vorsteher und Leiter wurden – und werden auch heute noch – als Hirten bezeichnet.
Manche biblische Propheten hatten schon lange vor Jesus kritische, ja zum Teil sehr scharfe Worte über die Hirten ihrer Zeit gesprochen. Sie hielten ihnen den Spiegel vor und zeigten unerbittlich, wie schlimm es für die Herde ist, wenn sie schlechte Hirten hat. Sie geißelten die Selbstsucht der Hirten, denen es nur um den eigenen Profit geht, die sich nicht um das Wohl der ihnen anvertrauten Herde kümmern und letztlich ihre Herden ruinieren.
An diesem vertrauten Bild knüpft Jesus an. Wie so oft erzählt er ein Gleichnis. Aber seine Zuhörer verstanden es nicht. Verstehen wir es heute besser? Das Gleichnis ist doch einfach und klar! Wer als Dieb kommt, steigt irgendwo ein. Er kommt nicht durch die gewohnte Tür.
Achtet also, in welcher Absicht jemand kommt. Geht es dem, der da eindringt, um euer Wohl, oder geht es ihm um seinen Profit? In der Politik: Ist jemand nur auf Stimmenfang aus oder geht es ihm um das Land, die Menschen, eine gute Zukunft für alle? Populismus ist das Gegenteil von guter Hirtenschaft. Und für die Priester, die Geistlichen: Denken sie mehr an sich als an die Menschen? Geht es ihnen zuerst um ihre eigene Bequemlichkeit oder um den Dienst an denen, die Hilfe brauchen?
Jesus hat ein hartes, scharfes Wort für solche Hirten: Sie sind einfach Diebe und Räuber! Jesus sagt aber auch etwas Tröstliches: Die Schafe hören nur auf die Stimme des Hirten, nicht auf die der Diebe und Räuber. Jesus hat dieses Vertrauen in die Menschen. Sie haben letztlich ein feines Gespür dafür, ob es einem Politiker, einem Chef, einem Priester wirklich um die Menschen geht. Populismus kann zeitweise die Menschen täuschen und verführen. Auf die Dauer haben nur glaubwürdige Hirten die Gefolgschaft ihrer Herde.
Woran erkennt man letztlich den guten Hirten? Jesus gibt eine klare Antwort: „Ich bin die Tür zu den Schafen.“ Das heißt doch: Wer an mir Maß nimmt, der ist ein guter Hirte. Denn Jesus geht es nur um eines: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ Wer in dieser Absicht seine Autorität ausübt, der wird zu Recht als guter Hirte erlebt. Wie sehr sehnen wir uns alle nach solchen Hirten!
In jener Zeit sprach Jesus: Amen, amen, das sage ich euch: Wer in den Schafstall nicht durch die Tür hineingeht, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer aber durch die Tür hineingeht, ist der Hirt der Schafe. Ihm öffnet der Türhüter, und die Schafe hören auf seine Stimme; er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme. Einem Fremden aber werden sie nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen. Dieses Gleichnis erzählte ihnen Jesus; aber sie verstanden nicht den Sinn dessen, was er ihnen gesagt hatte. Weiter sagte Jesus zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen. Alle, die vor mir kamen, sind Diebe und Räuber; aber die Schafe haben nicht auf sie gehört. Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden. Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten; ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.
Ostern - Jesus ist auferstanden!
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