Kardinal Christoph Schönborn hielt 2001 einen Vortag an der Imam-Sadr-Universität Teheran.
Kardinal Christoph Schönborn hielt 2001 einen Vortag an der Imam-Sadr-Universität Teheran.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Fest Christi Himmelfahrt, 25. Mai 2017 (Mt 28,16-20)
Geht zu allen Völkern! Macht alle Menschen zu meinen Jüngern! Das ist der Auftrag, den Jesus hinterlassen hat vor seiner „Himmelfahrt“, die dem heutigen Fest den Namen gegeben hat. Beim Lesen des heutigen Evangeliums ist mir eine Erinnerung in den Sinn gekommen, die sich mir tief eingeprägt hat.
Im Jahr 2001 war ich im Iran, eingeladen von den muslimischen Autoritäten dieses Landes. Zu meinem Programm gehörte auch ein Vortrag an der streng islamischen Imam-Sadr-Universität in Teheran. Ich überraschte meine Zuhörer, indem ich mit dem heutigen Evangelium begann. Ich sagte ihnen, dass wir Christen von Jesus den Auftrag haben, zu allen Völkern zu gehen und alle Menschen zu Jüngern Jesu zu machen. Und ich erklärte ihnen, dass wir Christen nie auf diesen Missionsauftrag Jesu verzichten können, da wir sonst nicht mehr Christen wären. Bei diesen Worten spürte ich eine gespannte Stille bei meinen Zuhörern. Noch ernster wurde die Atmosphäre, als ich hinzufügte, dass wir Christen auch davon ausgehen, dass Jesus uns die ganze Wahrheit geoffenbart hat und dass wir daher glauben, dass die Lehre Jesu wahr und gültig ist, auch heute noch.
Doch dann erinnerte ich die aufmerksam zuhörenden Studenten daran, dass ja wohl auch sie davon überzeugt sind, der Islam sei die wahre Religion, die Gott durch den Propheten Mohamed geoffenbart hat und die im Koran enthalten ist. Und zudem wissen wir, so erklärte ich ihnen, dass auch sie einen Auftrag hätten, der sich an alle Menschen richtet. Ihre „Mission“ wäre es, alle Menschen zur Annahme des Islam zu bringen, der die endgültige Offenbarung Gottes sei.
Ich spürte an den fragenden Blicken der Studenten die Spannung: Wie wird er diesen unausweichlichen Konflikt lösen? Beide Religionen richten sich an alle Menschen. Beide glauben, Gottes letztgültige Wahrheit zu bringen. Beide Religionen sind missionarisch, wollen alle Menschen für ihren Glauben gewinnen. Ich fragte deshalb die Studenten: Bleibt da eine andere Lösung als ein schrecklicher Religionskrieg? Müssen unsere beiden Religionen jede für den eigenen Sieg und die völlige Unterwerfung der anderen Religion kämpfen? Ist das viele schöne Reden vom Dialog der Religionen nicht eine Augenauswischerei? Kann es zwischen unseren beiden Religionen überhaupt ein friedliches Nebeneinander oder gar ein Miteinander geben?
Mit dieser Frage war die Spannung am Höhepunkt. Beide Seiten wissen wir, dass wir einander jahrhundertelang immer wieder auf Leben und Tod bekämpft haben, auch wenn es dazwischen Zeiten des friedlichen Zusammenlebens gab. Mir ging es aber nicht um die Vergangenheit, sondern um Heute und Morgen. Werden wir einen Weg der gegenseitigen Achtung finden? Oder geht es uns eher so wie damals den Jüngern Jesu: „Einige hatte Zweifel“?
Meinen Hörern in Teheran schlug ich eine Lösung vor. Wir, Christen und Muslime, haben eines gemeinsam: Gott wird uns einmal nicht nach unserer Religion fragen, sondern nur nach einem: Wie warst du zu deinem Nächsten? Hast du dich um Gerechtigkeit und Versöhnung bemüht? Hast du Hass gesät oder Frieden gestiftet? Und wir wissen: Ohne Gottes Hilfe schaffst das keiner! Deshalb ist es so tröstlich, dass Jesus uns versprochen hat: „Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt!“
In jener Zeit gingen die elf Jünger nach Galiläa auf den Berg, den Jesus ihnen genannt hatte. Und als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber hatten Zweifel. Da trat Jesus auf sie zu und sagte zu ihnen: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.
Ostern - Jesus ist auferstanden!
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LINK
Vortrag von Kardinal Christoph Schönborn, Teheran 2001
http://www.kathsurf.at/lehramt/lehramt/schoenborn_iran.html
Schwerpunkt zum Fest Christi Himmelfahrt