Wer zum Bild des „Gnadenstuhls“ aufschaut, soll Vertrauen schöpfen. Glauben hat vor allem mit Vertrauen zu tun. Wir dürfen vertrauen, dass Gott uns wohlgesonnen ist.
(Foto: "Gnadenstuhl" in der Pfarre Ebenthal im Weinviertel)
Wer zum Bild des „Gnadenstuhls“ aufschaut, soll Vertrauen schöpfen. Glauben hat vor allem mit Vertrauen zu tun. Wir dürfen vertrauen, dass Gott uns wohlgesonnen ist.
(Foto: "Gnadenstuhl" in der Pfarre Ebenthal im Weinviertel)
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 11. Juni 2017 (Joh 3,16-18)
Wer in Österreich durch Wiesen und Feld wandert, wird immer wieder auf eine eigenartige Form von „Marterln“, von Bildstöcken stoßen. Unser Land ist ja reich an religiösen Zeichen, die das Bild unserer Heimat prägen. Das können Wegkreuze sein, Kapellen, kleine Statuen, Bilder an Bäumen, Gedenktafeln und anderes mehr. In vielen Gemeinden haben sich Menschen gefunden, die diese heiligen Zeichen pflegen, restaurieren, auf sie schauen und sie vor Vandalismus beschützen. Ich sammle selber Dokumentationen und Bücher über solche „kirchliche Kleinkunst“, wie man sie auch nennt. Sie ist ein kostbarer Schatz in unserem Land, ein schöner Ausdruck der Volksfrömmigkeit und eine gute Hilfe, mitten im Alltag an den Glauben erinnert zu werden und Anregung zum Gebet zu erhalten.
Von einer besonderen Form von Bildstöcken möchte ich heute sprechen, denn sie ist direkt mit dem heutigen Evangelium verbunden. Sie ist geradezu ein bildlicher Kommentar zu den Worten Jesu, die er damals in einem Nachtgespräch mit dem Ratsherrn Nikodemus gesagt hat. Man nennt diese Darstellung „Gnadenstuhl“. Sie ist seit dem Mittelalter in zahllosen Ausprägungen zu finden. Vielen ist heute deren Bedeutung nicht mehr bekannt.
Gottvater ist meist sitzend dargestellt mit der „Tiara“, der dreistufigen Krone, die die Päpste bis ins letzte Jahrhundert trugen. Gott thronend als König und Herrscher über die ganze Welt, alle ihre Reiche. Doch hält er in den Händen weder das Schwert noch die Weltkugel, wie es auf Darstellungen weltlicher Herrscher üblich ist. Er hält dagegen das Kreuz in beiden Händen. Und am Kreuz hängt Jesus, Gottes Sohn. Gott der Herr bietet den Menschen seinen gekreuzigten Sohn an. Er schenkt ihn der Welt als seine kostbarste Gabe, sein Ein und Alles, seinen geliebten Sohn.
Jetzt verstehen wir, warum diese Marterln, diese Bildstöcke ganz augenscheinlich das heutige Evangelium in die Sprache des Bildes übersetzen: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab.“ Und damit wird auch verständlich, warum diese Darstellung „Gnadenstuhl“ genannt wird. Jesus sagt ja: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.“
Der Thron Gottes ist kein Richterstuhl, sondern eine Quelle der Gnade. Gott richtet nicht unsere Fehler und unser Versagen, sondern gibt uns Jesus als unseren Retter. Damit gibt uns Jesus auch den Sinn seines Leidens an. Er zeigt uns, warum das Kreuz das Zeichen seiner Liebe ist. Der „Gnadenstuhl“ als Bildstock an vielen Orten unseres Landes soll uns daran erinnern, wie sehr das Kreuz Beweis der Liebe Gottes ist. Der Schlüssel ist das kleine Wörtlein „hingab“. Der „Gnadenstuhl“ sagt im Bild, was dieses Hingabe bedeutet: Gott gibt uns alles. Mehr als seinen geliebten Sohn kann er uns nicht schenken. Und er tut es, weil er „die Welt so sehr liebt“.
Wer zum Bild des „Gnadenstuhls“ aufschaut, soll Vertrauen schöpfen. Glauben hat vor allem mit Vertrauen zu tun. Wir dürfen vertrauen, dass Gott uns wohlgesonnen ist. Er will uns Leben schenken, Heil, nicht Unheil. Er bittet uns geradezu, ihm zu vertrauen, ihm zu glauben.
Danke allen, die in unserem Land die Marterln und Bildstöcke, diese Wegzeichen des Glaubens, pflegen und auch neue errichten!
In jener Zeit sprach Jesus zu Nikodemus: Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.
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