"Wie dankbar sind wir oft, wenn jemand den Mut hat, uns unter vier Augen auf einen Fehler hinzuweisen, den wir begangen haben! Wie traurig ist es, wenn ein Gerede über unsere Fehler nur „hintenherum“ zu uns gelangt", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Wie dankbar sind wir oft, wenn jemand den Mut hat, uns unter vier Augen auf einen Fehler hinzuweisen, den wir begangen haben! Wie traurig ist es, wenn ein Gerede über unsere Fehler nur „hintenherum“ zu uns gelangt", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 10. September 2017 (Matthäus 18,15-20).
Wie umgehen mit Konflikten? Wie auf Fehler, Fehlverhalten, Verletzungen reagieren? Was tun, wenn wir selber davon betroffen sind, wenn andere uns gegenüber sich schlecht verhalten? Und wie damit zurechtkommen, wenn wir sehen, dass andere sich versündigen, Fehler machen, die ihnen und anderen schaden? Das rechte Umgehen mit diesen verschiedenen Formen von Konflikten gehört zu den wichtigsten Fähigkeiten im Leben. Sie zu erlernen bleibt eine lebenslange Aufgabe.
Jesus hat viele praktische Hinweise gegeben, wie wir gute Wege der Konfliktlösungen gehen können. Alle diese Wege erfordern freilich Mut, Ehrlichkeit und viel Geduld. „Wenn dir einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat. Geh und versöhne dich mit deinem Bruder.“ Oft liegt es an uns, den ersten Schritt zu tun. Es wird dir bewusst, dass jemand, ein Verwandter, ein Kollege, ein Nachbar, etwas gegen dich hat. Er fühlt sich gekränkt, verletzt, missverstanden, ungerecht behandelt. Jesus rät uns, in dieser Situation auf den anderen zuzugehen, den Konflikt anzusprechen und so zu versuchen, ihn aus der Welt zu schaffen. Suche selber aktiv den Konflikt zu lösen!
Es kann aber auch sein, dass wir Unrecht erlitten haben, gekränkt, verletzt, beleidigt wurden. Da ist der Rat Jesu ebenso klar wie schwer: Versuche zu verzeihen! Wir sollen uns daran erinnern, dass Gott uns verzeiht. Also müssen auch wir einander verzeihen. Jesus hat gelehrt, dass wir Gott täglich darum bitten sollen: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Verzeihen und um Verzeihung bitten, das sind sicher die stärksten Mittel zur Konfliktlösung.
Heute spricht Jesus noch eine weitere Möglichkeit an, Konflikte aktiv anzugehen. Es gibt Situationen, in denen wir selber gar nicht betroffen sind, wo wir aber sehen, dass jemand ein Problem hat und selber zum Problem wird: „Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht.“ Ich nehme ein Beispiel: Ein Bekannter hat ein Alkoholproblem. Immer mehr Menschen merken es, beginnen darüber zu reden. Niemand hat den Mut, den Betroffenen direkt anzusprechen. Er versucht, sein Problem zu verstecken, und keiner hilft ihm, sich dem Problem zu stellen.
Wie oft reden wir über die Fehler anderer! Wie selten reden wir mit ihnen direkt und persönlich darüber! Jesu Rat ist klar und eindeutig: Rede zuerst mit dem Betroffenen unter vier Augen! Wir machen es meist genau umgekehrt: Wir reden zuerst mit allen anderen über die Fehler des einen und trauen uns nicht, ihn direkt anzusprechen.
Das „Ausrichten“ der anderen ist eines der schlimmsten Übel in der menschlichen Gesellschaft.
Mir ist ein Wort meines sehr geschätzten Heimatpfarrers in Erinnerung: Redet über andere immer so, als wären sie jetzt anwesend und würden mithören! Wie dankbar sind wir oft, wenn jemand den Mut hat, uns unter vier Augen auf einen Fehler hinzuweisen, den wir begangen haben! Wie traurig ist es, wenn ein Gerede über unsere Fehler nur „hintenherum“ zu uns gelangt. Jesus hat uns wirklich Wege gezeigt, wie wir mit Konflikten umgehen können. Er hat es vorgelebt. Mit seiner Hilfe kann es auch uns gelingen!
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurückgewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sag es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner. Amen, ich sage euch: Alles, was ihr auf Erden binden werdet, das wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was ihr auf Erden lösen werdet, das wird auch im Himmel gelöst sein. Weiter sage ich euch: Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.
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