Das heutige Gleichnis Jesu ist ein kräftiges Medikament gegen die Seelenkrankheit des Neides, und es passt genau in die jetzige Jahreszeit, wo viele Arbeitskräfte für die Weinlese gebraucht werden.
Das heutige Gleichnis Jesu ist ein kräftiges Medikament gegen die Seelenkrankheit des Neides, und es passt genau in die jetzige Jahreszeit, wo viele Arbeitskräfte für die Weinlese gebraucht werden.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 24. September 2017 (Mt 20, 1-16a)
Neid ist ein Laster. Manche meinen es sei das am meisten verbreitete Laster unserer Gesellschaft. So kam es zum Wort "Neidgesellschaft". Was ist das nur, dieses bittere Kraut, das wie ein Unkraut überall unter uns Menschen wuchert? Warum vergiftet es so viele Beziehungen unter uns? Was ist die Wurzel dieses Übels? Wie kann ich bei mir selber den Neid bekämpfen, der mir die Freude raubt, mich engherzig macht, dem anderen nichts gönnt? Wie kann ich mich davon befreien, mich dauernd mit anderen zu vergleichen? Warum missgönne ich anderen, was sie haben oder bekommen?
Das heutige Gleichnis Jesu ist ein kräftiges Medikament gegen die Seelenkrankheit des Neides. Jesus will uns von diesem Übel befreien, nicht nur jeden Einzelnen, sondern auch unser Zusammenleben. Er zeigt uns den Weg aus der Neidgesellschaft hin zu einem solidarischen Miteinander, zu einem Zusammenleben, das auch dem etwas gönnt, der kein Glück im Leben gehabt hat.
Gehen wir also mit dem Gutsbesitzer auf den Marktplatz, früh am Morgen. Er sucht Arbeiter für die Weinlese. Das passt genau in die jetzige Jahreszeit, wo viele Arbeitskräfte für die Weinlese gebraucht werden. Der Lohn wird vereinbart, und eine erste Truppe von Taglöhnern, also Gelegenheitsarbeitern, gehen in den Weinberg. Um neu, um zwölf und um fünfzehn Uhr geht der Gutsherr wieder auf den Dorfplatz. Immer noch stehen da Männer und warten hoffend auf eine Arbeit. Und immer wieder gibt er den Arbeit Suchenden eine Chance. Auch sie können in der Weinlese arbeiten.
Sogar um fünf Uhr nachmittags, also eine Stunde vor Arbeitsschluss, geht er auf den Marktplatz, und immer noch sind da Männer, die auf Arbeit hoffen. "Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig?", fragt er sie. Die Antwort ist erschütternd, und sie ist heute oft zu hören: "Niemand hat uns angeworben!" Die Not der Arbeitslosigkeit! Heute oft sehr bitter, damals noch viel bitterer. Denn damals gab es keine finanzielle Hilfe für Arbeitslose. Keine Arbeit, das hieß Hunger und Not, für ihn und seine Familie.
Am Abend wird der Tageslohn ausbezahlt, beginnend bei den Letzten. Alle bekommen den gleichen Lohn, auch die, die nur eine Stunde gearbeitet haben. Da regt sich der Neid, dieses Unkraut, das alles vergiftet. Warum bekommen die, die nur eine Stunde gearbeitet haben, gleich viel wie wir, die wir den ganzen Tag in der Hitze geschuftet haben?
Die Antwort Jesu ist eine Medizin gegen die Neidkrankheit. Jesus bietet jedem von uns sein dreifaches Heilmittel an. Denn niemand ist gegen das Übel des Neides geimpft. Erstens: Gerechtigkeit! Du hast den vereinbarten Lohn erhalten! Dir geschieht kein Unrecht, wenn ich zu anderen gütig bin. Zweitens: Freiheit! Gott gibt seine Gaben wie er will. Du hast deine Gaben bekommen, Gott hat nicht allen dieselben Talente gegeben. Vergleiche dich nicht mit den anderen! Drittens: Güte! Die Arbeiter, die nur eine Stunde gearbeitet haben, bekommen den vollen Tageslohn, damit sie und ihre Familie nicht hungern müssen! "Bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin?" Das ist Jesu Nein zur Neidgesellschaft!
In jener Zeit erzählte Jesus seinen Jüngern das folgende Gleichnis: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Er einigte sich mit den Arbeitern auf einen Denar für den Tag und schickte sie in seinen Weinberg. Um die dritte Stunde ging er wieder auf den Markt und sah andere dastehen, die keine Arbeit hatten. Er sagte zu ihnen: geht auch ihr in meinen Weinberg! Ich werde euch geben, was recht ist. Und sie gingen. Um die sechste Stunde und um die neunte Stunde ging der Gutsherr wieder auf den Markt und machte es ebenso. Als er um die elfte Stunde noch einmal hinging, traf er wieder einige, dir dort herumstanden. Er sagte zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum? Sie antworteten: Niemand hat uns angeworben. Da sagte er zu ihnen: Geht auch ihr in meinen Weinberg! Als es nun Abend geworden war, sagte der Besitzer des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und zahl ihnen den Lohn aus, angefangen von den letzten, bis hin zu den ersten. Da kamen die Männer, die er um die elfte Stunde angeworben hatte, und jeder erhielt einen Denar. Als dann die ersten an der Reihe waren, glaubten sie, mehr zu bekommen. Aber auch sie erhielten nur einen Denar. Da begannen sie, über den Gutsherrn zu murren, und sagten: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleichgestellt; wir aber haben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragen. Da erwiderte er einem von ihnen: Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will dem letzten ebenso viel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich zu anderen gütig bin? So werden die Letzten die Ersten sein.
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