Ich sehe im heutigen Evangelium auch ein Wort Jesu an jeden Menschen. Der Weinberg ist ein Bild für mein Leben. Gott hat es mir anvertraut. Habe ich Gottes Anruf in meinem Leben angenommen oder abgelehnt?
Ich sehe im heutigen Evangelium auch ein Wort Jesu an jeden Menschen. Der Weinberg ist ein Bild für mein Leben. Gott hat es mir anvertraut. Habe ich Gottes Anruf in meinem Leben angenommen oder abgelehnt?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 8. Oktober 2017 (Mt 21,33-44)
Es ist empörend, wie sich diese Pächter verhalten! Wer diese Geschichte liest oder hört, muss es so empfinden. Es ist ein Skandal! Ein Gutsbesitzer hat einen Weinberg angelegt, sorgfältig und gekonnt, mit einem Zaun, einem Wachturm und einem Weinkeller gleich dazu. Das Ganze hat er verpachtet. Zur Erntezeit erwartet er als Pachtzins einen Teil der Ernte, wie das auch bei uns oft üblich ist, die sogenannte Drittelpacht, das heißt, zwei Drittel der Ernte behält der Pächter, ein Drittel geht an den Weinbergbesitzer.
Wenn Pächter sich heute so verhalten wie die, von denen Jesus erzählt, würde, so hoffe ich, die Polizei sofort eingreifen. Es käme gar nicht so weit, dass die Pächter derart brutal vorgehen könnten. Aber Jesus erzählt diese Geschichte ja nicht als eine Nachricht aus der Tageszeitung. Er will vielmehr seine Zuhörer aufrütteln. Das Gleichnis ist eine Warnung und eine dringende Aufforderung. So haben ihn damals alle verstanden. Jesus gebraucht Bilder, die allen vertraut waren.
Der Gutsbesitzer ist Gott. Der Weinberg ist das Heilige Land, das Gott so schön bereitet hat. Die Pächter sind die, denen Gott sein Gut anvertraut hat, die Verantwortlichen des jüdischen Volkes. Die Knechte, die die Ernte abholen sollen, sind die Propheten des Alten Bundes. Doch statt gute Früchte zu bringen, ernten Gottes Boten nur Ablehnung, Spott und Hass. Einige werden sogar umgebracht. Der Gutsbesitzer hat unfassbare Geduld. Statt gleich dreinzuschlagen, sendet er immer neue Propheten, die die Menschen mahnen, endlich den geschuldeten Pacht abzuliefern, das heißt ihr Leben nach Gottes Willen zu gestalten.
Der Höhepunkt der Geschichte ist zweifellos der Moment, da der Gutsherr, das heißt Gott, zu einem letzten Mittel greift: Er sendet seinen Sohn. „Denn er dachte: Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben.“ Die Pächter tun das Unfassbare: Sie packen den Sohn und bringen ihn um. Wer immer diese Geschichte hört, spätestens hier ist die Empörung groß. Wie kann man sich so verhalten? Wie schrecklich benehmen sich diese Pächter? Sie haben wirklich das verdient, was Jesu Zuhörer sagen: „Er wird diesen bösen Menschen ein böses Ende bereiten.“
Jesus hat hier seine eigene Geschichte erzählt. Er selber ist der Sohn, den Gott als letzten Boten gesandt hat, nach all den Propheten, die vor ihm gekommen waren. Was wird Gott tun, wenn die Menschen nicht einmal seinen Sohn achten, ja ihn sogar umbringen? Allzuoft haben wir Christen diese Geschichte so gelesen: Die Juden haben damals Jesus getötet. Deshalb habe Gott sie verworfen und statt ihnen die Christen als sein Volk erwählt. Schlimm genug: Manche Judenverfolgung wurde damit begründet.
Ich sehe in diesem Evangelium auch ein Wort Jesu an jeden Menschen. Der Weinberg ist ein Bild für mein Leben. Gott hat es mir anvertraut. Habe ich entsprechend Frucht gebracht? Habe ich Gottes Anruf in meinem Leben angenommen oder abgelehnt? Wie bin ich mit Gottes Gaben umgegangen? Wie mit denen, die mir den Weg zeigen wollten? Wie sieht die ehrliche Bilanz meines Lebens aus? Jesus erwartet nicht, dass sie perfekt ausfällt. Er will nur, dass ich ihm vertraue. Nur das!
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