"Ecce Homo" ("Seht, der Mensch") von Adam Chmielowski.
"Ecce Homo" ("Seht, der Mensch") von Adam Chmielowski.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, zum Karfreitag, 30. März 2018. (Johannes 19,1-16)
Mitgefühl gehört zum Menschen. Wer nicht zu Mitgefühl fähig ist, dem fehlt etwas Wesentliches. Hatten die römischen Soldaten kein Mitgefühl mit diesem Juden aus Galiläa, der unter den Hieben ihrer grausamen Geißeln zusammenzuckte? Sie trieben ihren Spott mit ihm. Denn es hieß, er sei der König der Juden, oder er behaupte, es zu sein. Sie „krönen“ ihn mit einem Kranz aus spitzen Dornen. Sie hüllen seinen blutig geschlagenen Leib in einen purpurfarbenen Mantel, wie es sich für einen König gehört. Die Zeichen der Verehrung, die sie ihm erweisen, sind Schläge ins Gesicht. Wo bleibt das Mitgefühl?
Hatte Pilatus, der römische Statthalter, mehr Mitgefühl als seine Soldaten? „Seht, ich bringe ihn zu euch heraus; ihr sollt wissen, dass ich keine Schuld an ihm finde.“ So steht jetzt Jesus vor der Menge. „Er trug die Dornenkrone und den purpurroten Mantel.“ Und Pilatus sagt, wohl in seiner lateinischen Muttersprache, zu den Leuten: „Ecce Homo!“ „Seht, der Mensch!“
Diesen Moment haben immer wieder Künstler festzuhalten gesucht. Eines der eindrucksvollsten „Ecce Homo“-Bilder befindet sich in Krakau. Es stammt von Adam Chmielowski (1845-1916), der es 1881 schuf. Der Blick auf den gedemütigten, verspotteten und blutenden Jesus hat in ihm das Mitgefühl mit den Armen und Notleidenden geweckt. In ihnen begann er Jesus zu sehen. Er gab seine erfolgreiche Künstlerkarriere auf und wurde Ordensmann. Fortan nannte er sich Bruder Albert. Die Gemeinschaft, die er gründete, die „Diener der Armen“, kümmern sich bis heute um Obdachlose und Menschen am Rand der Gesellschaft. Papst Johannes Paul II. sprach Bruder Albert 1989 heilig.
Pilatus wollte Jesus freilassen. Die Begegnung mit dem Mann aus Nazareth muss ihn wirklich berührt haben. Aber der Druck derer, die Jesu Tod verlangten, wurde immer größer. Schließlich hat Pilatus nachgegeben. Der Evangelist Matthäus berichtet, Pilatus habe in diesem Moment Wasser bringen lassen und sich vor allen Leuten die Hände gewaschen und gesagt: „Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen.“ Und damit übergab er ihnen Jesus zur Kreuzigung.
Vor dem „Ecce Homo“ des heiligen Bruder Albert von Krakau stellt sich dem Betrachter die Frage: Bewegt mich Jesus zum Mitgefühl? Oder wasche ich meine Hände „in Unschuld“, als ginge das Leid des anderen mich nichts an? „Seht, welch ein Mensch!“ Wie sehr bin ich selber Mensch?
Darauf ließ Pilatus Jesus geißeln. Die Soldaten flochten einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und legten ihm einen purpurroten Mantel um. Sie stellten sich vor ihn hin und sagten: Heil dir, König der Juden! Und sie schlugen ihm ins Gesicht. Pilatus ging wieder hinaus und sagte zu ihnen: Seht, ich bringe ihn zu euch heraus; ihr sollt wissen, dass ich keinen Grund finde, ihn zu verurteilen. Jesus kam heraus; er trug die Dornenkrone und den purpurroten Mantel. Pilatus sagte zu ihnen: Seht, da ist der Mensch! Als die Hohenpriester und ihre Diener ihn sahen, schrien sie: Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz mit ihm! Pilatus sagte zu ihnen: Nehmt ihr ihn, und kreuzigt ihn! Denn ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen. Die Juden entgegneten ihm: Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muss er sterben, weil er sich als Sohn Gottes ausgegeben hat. Als Pilatus das hörte, wurde er noch ängstlicher. Er ging wieder in das Prätorium hinein und fragte Jesus: Woher stammst du? Jesus aber gab ihm keine Antwort. Da sagte Pilatus zu ihm: Du sprichst nicht mit mir? Weißt du nicht, dass ich Macht habe, dich freizulassen, und Macht, dich zu kreuzigen? Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn es dir nicht von oben gegeben wäre; darum liegt größere Schuld bei dem, der mich dir ausgeliefert hat. Daraufhin wollte Pilatus ihn freilassen, aber die Juden schrien: Wenn du ihn freilässt, bist du kein Freund des Kaisers; jeder, der sich als König ausgibt, lehnt sich gegen den Kaiser auf. Auf diese Worte hin ließ Pilatus Jesus herausführen, und er setzte sich auf den Richterstuhl an dem Platz, der Lithostrotos, auf hebräisch Gabbata, heißt. Es war am Rüsttag des Paschafestes, ungefähr um die sechste Stunde. Pilatus sagte zu den Juden: Da ist euer König! Sie aber schrien: Weg mit ihm, kreuzige ihn! Pilatus aber sagte zu ihnen: Euren König soll ich kreuzigen? Die Hohenpriester antworteten: Wir haben keinen König außer dem Kaiser. Da lieferte er ihnen Jesus aus, damit er gekreuzigt würde.
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