"Ich gestehe, dass ich eine besondere Liebe zum Retzer Land habe, seit ich als Sechzehnjähriger (das ist schon lange her) zum ersten Mal das dortige Dominikanerkloster kennengelernt habe", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Ich gestehe, dass ich eine besondere Liebe zum Retzer Land habe, seit ich als Sechzehnjähriger (das ist schon lange her) zum ersten Mal das dortige Dominikanerkloster kennengelernt habe", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, am Sonntag, 29. April 2018 (Johannes 15,1-8)
Wenn ich in Retz in den Weinbergen spazieren gehe, staune ich immer neu über die Weinstöcke und über die Arbeit der Winzer. Ich gestehe, dass ich eine besondere Liebe zum Retzer Land habe, seit ich als Sechzehnjähriger (das ist schon lange her) zum ersten Mal das dortige Dominikanerkloster kennengelernt habe. Im Orden der Dominikaner fand ich den richtigen Ort für meine Berufung. Ihm verdanke ich so viel in meinem Leben. Jahrhundertelang hat das Kloster Weinbau betrieben. Die tiefen, uralten Keller geben heute noch Zeugnis von dieser Zeit.
Der Weinskandal von 1985, der auch Retz betroffen hat, war zugleich ein Tiefpunkt und ein Wendepunkt für Österreichs Weinproduktion. Es kam zu einem völligen Umdenken. So schmerzlich die damaligen direkten Folgen des „Glykol-Skandals“ waren, so segensreich waren die langfristigen Folgen für den heimischen Weinbau.
Warum ich das erwähne? Weil es direkt mit dem heutigen Evangelium zu tun hat. Jesus nennt sich selber „der wahre Weinstock“, Gott, seinen Vater, nennt er den Winzer und uns die Rebzweige. Alles dreht sich um die Frucht, denn ohne sie gibt es keinen Wein und der Winzer will, dass seine Weinstöcke „mehr Frucht“ bringen. Die ganze Arbeit des Winzers besteht darin, zu schauen, dass sein Weingarten „reiche Frucht“ bringt. So beschreibt Jesus das, was er aus der Erfahrung seiner Heimat kennt: „Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt.“
Der Winzer muss kräftig hineinschneiden, zurechtstutzen, sonst treiben die Rebzweige zu sehr aus, schießen ins Kraut und rauben den Saft, den die Trauben brauchen. Mich beeindruckt das immer, zuzusehen, wie mutig der Winzer die Reben zusammenschneidet. Es geht immer darum, mehr Frucht zu gewinnen.
Was aber heißt „mehr Frucht bringen“? Geht es nur um Quantität? Noch mehr Wein, noch größeren Gewinn? Gerade der Weinskandal hat gelehrt, dass bessere Qualität auf die Dauer einfach erfolgreicher ist. Jesus geht es um gute Frucht. Um die Qualität unseres Lebens. Um Frucht, die Freude macht. Dazu sagt er uns ein schlichtes, klares Wort: „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“ Wie Rebzweige nichts hervorbringen, wenn sie vom Weinstock abgeschnitten sind, so bringt unser Leben nur Frucht, wenn es mit Jesus, dem Weinstock, verbunden bleibt. Das Bild ist so deutlich und klar: Halte die Verbindung mit Gott! Er macht das Leben lebendig. Er ist der Lebensquell.
„Mein Vater ist der Winzer.“ Der Winzer schneidet kräftig an den Rebzweigen. Wo ist Gott, der Winzer, in meinem Leben? Wo schneidet er in mein Leben hinein? Wo stutzt er weg, was scheinbar nach blühendem Leben aussieht? Einschnitte in unserem Leben tun weh! Verluste, Trennungen, schmerzliche Enttäuschungen. Kann es sein, dass Gott mich von Illusionen befreien, mich von Stolz und Hochmut reinigen will? Eine Krankheit kann eine tiefe Läuterung bringen, ein Misserfolg kann mich menschlicher machen, freier von Egoismus. Es ist nicht immer gleich sichtbar, dass Gott, der Winzer, mir nicht übel will. Sicher ist, dass er Freude daran hat, wenn wir echte, gute, reife Frucht bringen wie die Trauben am Weinstock.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzer. Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, schneidet er ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt. Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe. Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch. Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen. Wer nicht in mir bleibt, wird wie die Rebe weggeworfen, und er verdorrt. Man sammelt die Reben, wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet.
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