"Einmal kommt der Tag, wo ich nichts mitnehmen kann auf den (letzten) Weg. Für die letzte Reise zählt nur das Gepäck des Guten, das ich im Leben getan habe. Alles andere muss zurückbleiben", so Kardinal Christoph Schönborn.
"Einmal kommt der Tag, wo ich nichts mitnehmen kann auf den (letzten) Weg. Für die letzte Reise zählt nur das Gepäck des Guten, das ich im Leben getan habe. Alles andere muss zurückbleiben", so Kardinal Christoph Schönborn.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 15. Juli 2018 (Markus 6,7-13).
Wenn alle das machen würden, was Jesus sagt, was wäre das für ein Chaos? Wenn alle, die sich auf den Weg machen, nichts mitnehmen, keinen Proviant, kein Geld, keine Vorräte, wie soll das funktionieren? So kann keine Gesellschaft leben! Wenn alle damit rechnen, dass die anderen schon für sie sorgen werden, wird schlussendlich niemand da sein, der für andere sorgen kann. Wenn alle betteln, wer gibt dann den Bettlern? Ist Jesu Aufforderung, nichts mit auf den Weg zu nehmen, nicht eine verantwortungslose Weisung, eine gefährliche Irreführung?
Aber hat Jesus das wirklich von allen erwartet? Offensichtlich nicht! Denn diesen Auftrag, sich völlig ohne äußere Sicherheit auf den Weg zu machen, hat Jesus zuerst einmal nur seinen engsten Mitarbeitern erteilt, den zwölf Aposteln. Nirgendwo hat Jesus gelehrt, dass alle Menschen so leben sollen. Aber was er von seinen Aposteln erwartet hat, das hat er zuerst selber vorgelebt. Als er mit dreißig Jahren Nazareth verließ, seinen Beruf aufgab und zu predigen begann, da lebte er in völligem Vertrauen, dass Gott, sein guter Vater, sich um ihn sorgen werde. Und dieses Gottvertrauen erwartete er auch von seinen Jüngern: „Nehmt nichts mit auf den Weg!“
Bis heute gibt es Menschen, die sich auf diese Lebensweise einlassen. So hat es ein Franz von Assisi getan, so eine Mutter Teresa von Kalkutta: sie und viele andere sind Jesus und seinen Jüngern nachgefolgt und haben sich im Vertrauen auf Gottes Fürsorge mittellos auf den Weg gemacht. Immer wieder wird dagegen protestiert: Sind das nicht Sozialschmarotzer, die sich einfach auf die Hilfe anderer verlassen? Hat der Apostel Paulus nicht selber gesagt: „Wer nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen!“ Er wenigstens hat von seiner Hände Arbeit gelebt und ist nicht den anderen auf der Tasche gelegen.
Warum ist dann trotzdem ein heiliger Franziskus für so viele Menschen ein Vorbild, auch wenn sie nicht seine Bettelarmut nachahmen können? Warum hat das Vorbild Jesu und seiner Jünger bis heute so eine Anziehungskraft, obwohl die große Mehrheit der Menschen nicht das Armutsideal nachahmen kann, das Jesus selber in seinem Leben verwirklicht hat?
Ich glaube, das hat damit zu tun, dass die meisten von uns das Gefühl haben, dass wir viel zu viel mit auf den Weg genommen haben. Allzu oft spüren wir, dass wir vieles loslassen, uns von so manchem trennen müssten.
Selten habe ich zu wenig auf eine Reise mitgenommen. Oft war es zu viel, unnötig Belastendes, Wieviel sammelt sich im Laufe der Jahre in unserer Wohnung, in unserem Haus an! Wie oft zeigt sich, dass wir vieles davon hergeben können, ohne dass wir deshalb schweren Verlust erleiden würden!
Im Älterwerden kommt mir immer deutlich zu Bewusstsein, dass ich alles, was ich da angesammelt habe, einmal verlassen muss. Bei mir sind es keine Kunstschätze, keine Wertgegenstände, wohl aber meine geliebten Bücher. Einmal kommt der Tag, wo ich nichts mitnehmen kann auf den (letzten) Weg. Für die letzte Reise zählt nur das Gepäck des Guten, das ich im Leben getan habe. Alles andere muss zurückbleiben.
So gesehen bekommt der Sendungsauftrag Jesu an seine ersten zwölf Gefährten einen positiven Sinn. Sie haben damals wirklich freiwillig alles verlassen und sich ganz Gottes Vorsehung anvertraut. Bis heute wirkt ihr Vorbild nach und hilft auch in unserer Zeit, umzudenken, umzukehren, frei zu werden vom Hängen an Dingen, die wir doch alle einmal loslassen müssen.
In jener Zeit rief Jesus die Zwölf zu sich und sandte sie aus, jeweils zwei zusammen. Er gab ihnen die Vollmacht, die unreinen Geister auszutreiben, und er gebot ihnen, außer einem Wanderstab nichts auf den Weg mitzunehmen, kein Brot, keine Vorratstasche, kein Geld im Gürtel, kein zweites Hemd und an den Füßen nur Sandalen. Und er sagte zu ihnen: Bleibt in dem Haus, in dem ihr einkehrt, bis ihr den Ort wieder verlasst. Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter, und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie. Die Zwölf machten sich auf den Weg und riefen die Menschen zur Umkehr auf. Sie trieben viele Dämonen aus und salbten viele Kranke mit Öl und heilten sie.