Marias lebte voll Gottvertrauen und Dankbarkeit.
Marias lebte voll Gottvertrauen und Dankbarkeit.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Fest Maria Himmelfahrt, 15. August 2018 (Lk 1,39-56)
Dieses Sprichwort hat viel für sich. Ehe wir sterben, erleben wir viele kleine Tode. Liebgewordenes loslassen, Enttäuschungen verarbeiten, Verzichte annehmen: All das ist wie eine Einübung ins Sterben. Wer großherzig gelebt hat, wird wohl auch im Sterben leichter gehen können als, wer nur für sich selbst gesorgt hat und das Leben als "letzte Gelegenheit" zum eigenen Genuss haben wollte.
Wie man lebt, so stirbt man. Dieses Sprichwort darf aber nicht eins zu eins auf jedes Leben und Sterben übertragen werden. Ein früher Kindestod, ein Krebsleiden, das einen Menschen in der Blüte seiner Jahre sterben lässt, ein Unfalltod: All dieses Sterben darf nicht einfach auf persönliche Schuld im Leben zurückgeführt werden. Wie das Leben, so bleibt auch der Tod ein großes Rätsel, ein Geheimnis. Niemand kann es ganz erklären. Wie oft ist der Tod für uns ein unlösbares Fragezeichen. Wir alle müssen sterben, aber warum, wann, wie, darauf haben wir keine fertige Antwort.
Eine Antwort auf die ewige Menschheitsfrage nach dem Sinn von Leben und Tod gibt das heutige Fest "Maria Himmelfahrt". Die Kirche nennt es "Mariä Aufnahme in den Himmel". Aber geht es heute eigentlich um den Tod? Maria sei doch gar nicht gestorben, sondern "mit Leib und Seele in den Himmel erhoben" worden. Die Christen des Ostens nennt das heutige Fest "die Entschlafung Mariens". Und die gemeinsame Tradition des Ostens und des Westens der Christenheit geht davon aus, dass Marias Grab leer war, sie also nicht die für uns üblichen Folgen des Todes erlebt hat. Im Glauben sagen wir in schlichten Worten: Jesus, ihr Sohn, hat Maria, die Mutter, nicht im Grab gelassen, sondern sie als erstes der Geschöpfe schon jetzt mit Leib und Seele ganz zu sich geholt.
Und da trifft dann das anfangs genannte Sprichwort genau zu: Wie man lebt, so stirbt man. Maria hat so aus dem Vertrauen gelebt, hat so tief geglaubt, dass ihr Sterben ein Heimgang war, eine Erfüllung von dem, was sie schon längst gelebt hatte. Wir haben keine genaue Überlieferung, wann und wo Maria ihr irdisches Leben beendet hat, ob in Jerusalem, wie eine Tradition sagt, oder in Ephesus, wohin sie mit Johannes gegangen war, nach einer anderen Überlieferung. Auch über ihr Leben geben die Evangelien nur spärliche Nachrichten. Doch reichen diese aus, um uns ein Bild von ihrer Lebenshaltung zu machen.
Einen tiefen Einblick gibt das heutige Evangelium. Es zeigt eine Grundhaltung Mariens: die Sorge um die anderen. Sie ist selber schwanger, doch statt sich nur um ihr werdendes Kind zu kümmern, nimmt sie die Mühe der weiten und nicht ungefährlichen Reise auf sich, um ihrer Cousine Elisabeth zu helfen, die eine späte Schwangerschaft durchlebt. Elisabeth lobt an Maria vor allem ihr Gottvertrauen: "Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ."
Maria gibt selber Einblick in das, was ihr im Leben am kostbarsten ist: "Meine Seele preist die Größe des Herrn." Ihr Herz ist voll Dankbarkeit. Da ist keine Eitelkeit, kein Stolz, keine Wichtigtuerei. Sie hat ein tiefes Bewusstsein, dass Gott an ihr Großes tut. Dafür, so weiß sie, werden alle Generationen sie lieben und verehren. Wie man lebt, so stirbt man. Auf Maria trifft dieses Sprichwort wirklich zu. Ihr Leben, reich an Prüfungen und Leid, war trotzdem ganz erfüllt. Und so war auch ihr Heimgang wirklich eine "Himmelfahrt".
In jenen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Sie ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt und rief mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ. Da sagte Maria: Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen. Er nimmt sich seines Knechtes Israel an und denkt an sein Erbarmen, das er unsern Vätern verheißen hat, Abraham und seinen Nachkommen auf ewig. Und Maria blieb etwa drei Monate bei ihr; dann kehrte sie nach Hause zurück.
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