In der Menschheitsgeschichte wurde noch nie so viel auf Sauberkeit geachtet. Jesus erinnert an das Unreine, das aus dem Herzen kommt.
In der Menschheitsgeschichte wurde noch nie so viel auf Sauberkeit geachtet. Jesus erinnert an das Unreine, das aus dem Herzen kommt.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 2. September 2018 (Mk 7,1-8.14-15.21-23)
Hände waschen, Geschirr spülen, auf Sauberkeit achten, das ist höchst sinnvoll und empfehlenswert. Alle Reinigungsvorschriften, die es im Judentum (und auch im Islam) gibt, haben eine ganz praktische Bedeutung. Sie dienen der Hygiene und damit der Gesundheit. Ist Jesus gegen die Sauberkeit? Will er, dass seine Jünger schmutzig und schlampig daherkommen? Oder ist es ihm egal, ob er und seine Anhänger sich durch mangelnde Hygiene anstecken und allen möglichen Infektionen und Krankheiten aussetzen?
Im Streit mit den Pharisäern geht es um etwas anderes als nur um vernünftige Gesundheitsregeln. Es geht um etwas, das uns weitgehend fremd geworden ist, das aber zur Zeit Jesu eine große Rolle spielte und bis heute im Judentum ganz wichtig ist: Es geht um die Unterscheidung von „rein“ und „unrein“. Damit ist etwas anderes gemeint als sauber oder schmutzig, gewaschen oder ungewaschen, hygienisch oder unhygienisch. „Rein“ und „unrein“ haben zwar mit all dem zu tun aber nicht in erster Linie. „Rein“ und „unrein“ sind religiöse Begriffe. Sie haben zuerst mit dem Gottesdienst zu tun. Wer „unrein“ ist, darf nicht in den Tempel, ist vom Gottesdienst ausgeschlossen, darf auch mit anderen keinen Kontakt haben, damit nicht auch sie „unrein“ werden.
In der Bibel begegnen uns viele Situationen, in denen „rein“ und „unrein“ eine ganz direkte Auswirkung auf das Zusammenleben haben. So gilt die Frau in der Menstruation oder nach der Geburt als „unrein“, das heißt vom Gottesdienst ausgeschlossen. Der Kontakt mit Ungläubigen ist untersagt, weil er „unrein“ macht. Deshalb darf ein Aussätziger sich nicht den anderen nähern, da er sie sonst „unrein“ macht. Viele der Speisevorschriften haben ebenfalls diese Bedeutung, etwa das Verbot von Schweinefleisch. Viele dieser Regeln spielen im weiteren Sinn auch eine hygienische Rolle. Sie dienen aber in erster Linie der „kultischen Reinheit“, sie haben etwas mit der Beziehung zu Gott zu tun. Nur wer „rein“ ist oder sich „rein“ gemacht hat, darf Gott nahekommen.
Genau da aber setzt die Kritik Jesu an. Was macht uns „rein“ vor Gott? Die gewaschenen Hände? Das gut gespülte Geschirr? Die Einhaltung all dieser Reinheitsregeln? Jesus beruft sich auf die alten Propheten, die schon lange vor ihm die Äußerlichkeit so mancher Vorschriften kritisiert haben: „Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz ist aber weit weg von mir.“ Menschen haben diese Überlieferungen geschaffen. Sie sind nicht im Sinn Gottes.
Was macht uns Menschen unrein? Ein Fehler bei den rituellen Waschungen? Eine Speise, die nicht genau nach den „koscheren“ Regeln zubereitet ist? Jesus bittet uns dringend, doch zu verstehen, was uns wirklich unrein macht. Nur was aus dem Herzen kommt, nicht was wir äußerlich tun, macht uns vor Gott unrein. Wenn wir die Liste ehrlich lesen, die Jesus aufzählt, muss uns klar sein: das alles vergiftet unser Leben, macht es übel und böse, egal, ob wir uns genug die Hände gewaschen haben.
Hygiene des Herzens, so könnten wir die Haltung Jesu nennen. In der Menschheitsgeschichte wurde noch nie so viel auf peinliche Sauberkeit geachtet. Alles muss steril verpackt und sterilisiert sein. Aber wieviel Unreines in unseren Herzen seinen Schmutz verbreitet, darauf wird viel weniger geachtet. Vor Gott zählt nicht das Deodorant, sondern nur die Lauterkeit und Güte des Herzens. Und die darf ruhig ansteckend sein.
In jener Zeit hielten sich die Pharisäer und einige Schriftgelehrte, die aus Jerusalem gekommen waren, bei Jesus auf. Sie sahen, dass einige seiner Jünger ihr Brot mit unreinen, das heißt mit ungewaschenen Händen aßen. Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Hand voll Wasser die Hände gewaschen haben, wie es die Überlieferung der Alten vorschreibt. Auch wenn sie vom Markt kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen. Noch viele andere überlieferte Vorschriften halten sie ein, wie das Abspülen von Bechern, Krügen und Kesseln. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten fragten ihn also: Warum halten sich deine Jünger nicht an die Überlieferung der Alten, sondern essen ihr Brot mit unreinen Händen? Er antwortete ihnen: Der Prophet Jesaja hatte Recht mit dem, was er über euch Heuchler sagte: Dieses Volk ehrt mich mit den Lippen, sein Herz aber ist weit weg von mir. Es ist sinnlos, wie sie mich verehren; was sie lehren, sind Satzungen von Menschen. Ihr gebt Gottes Gebot preis und haltet euch an die Überlieferung der Menschen. Dann rief er die Leute wieder zu sich und sagte: Hört mir alle zu und begreift, was ich sage: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Verleumdung, Hochmut und Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen und macht den Menschen unrein.
Mehr über Kardinal Christoph Schönborn