Beziehungen geraten in Krisen. Ehen scheitern und zerbrechen. Seit eh und je versucht man Regeln zu erstellen. Jesus sieht das anders.
Beziehungen geraten in Krisen. Ehen scheitern und zerbrechen. Seit eh und je versucht man Regeln zu erstellen. Jesus sieht das anders.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 7. Oktober 2018 (Mk 10,2-16)
Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist! So steht es geschrieben, ganz am Anfang der Bibel. Deshalb hat Gott den Menschen als Mann und Frau geschaffen, heißt es da. Sie sollen einander ergänzen, Hilfe sein. Und beide sind gleicher Würde, einander ebenbürtig. Beiden hat Gott den Auftrag gegeben: „Seid fruchtbar und mehrt euch!“ Und weil das von Anfang an so war, gibt es bis heute eine ununterbrochene Folge an Generationen. Immer neu geschieht das, was da am Anfang der Bibel in knappen Worten gesagt wird: „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau und die beiden werden ein Fleisch.“ Mann und Frau finden zusammen, verbinden sich, werden e i n Paar, eine Einheit zu zweit, und immer wieder tritt das Ereignis ein, dem wir alle unser Leben verdanken: Ein Kind kommt zur Welt.
All das ist das Natürlichste der Welt, seit es Menschen gibt. Und trotzdem „funktioniert“ es nicht immer. Beziehungen geraten in Krisen. Ehen scheitern und zerbrechen. Seit eh und je versucht man Regeln zu erstellen, wie damit umzugehen ist, um Schaden zu begrenzen, schlimme Verletzungen zu vermeiden. Auch Jesus war mit diesen Fragen vertraut. Wie war seine Haltung? Und was sagt sie uns heute?
Mir fällt vor allem auf, dass Jesus an die Frage der Ehe-Scheidung anders herangeht als seine Gegner, die Pharisäer. Sie wollen eine rechtliche Auskunft: „Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen?“ Anders gesagt: Ist die Scheidung erlaubt oder verboten? Im Gesetz des Mose gibt es Scheidungsregeln. Da werden Gründe genannt, die eine Scheidung gestatten. Und der Scheidungsbrief sollte einen gewissen rechtlichen Schutz für die Frau bieten, die ja meist gegenüber dem Mann benachteiligt war.
Jesus sieht das Thema Scheidung anders. Er fragt nicht nach „erlaubt“ und „verboten“. Ihn interessiert die Frage, warum Gott es so gewollt hat, dass Mann und Frau eins werden. Was ist Gottes Plan mit der Ehe? Was hat Gott in die Natur des Menschen hineingelegt, dass es die beiden zueinander zieht, dass aus den zweien eins wird? Die Ehe ist für ihn mehr als ein rechtlicher Vertrag, der auch wieder aufgelöst werden kann: „Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“
Aber hat uns wirklich Gott verbunden? So fragen Paare, die in Krisen geraten. Ist es wirklich Gottes Wille, dass wir zusammenbleiben sollen, wo alles für eine Trennung spricht? Und gibt es nicht Situationen, wo eine Scheidung geradezu eine Überlebensfrage ist?
Die Worte Jesu bieten nicht für alle Einzelfälle eine Lösung. Jesus hat auch nicht die Scheidungsregeln des Mose kritisiert. Aber er nennt den tieferen Grund für viele Scheidungen: „Nur weil ihr so hartherzig seid“, hat Mose die Scheidung erlaubt. Damit weist Jesus auf den tieferen Grund hin, der so manche Ehe scheitern lässt: die Verhärtung der Herzen! Wenn das Gespräch der beiden verstummt, das gegenseitige Verzeihen nicht mehr gelingt, dann steht die Ehe bald vor dem Aus.
Doch da sind auch die Kinder. „Lasst sie zu mir kommen“, sagt Jesus. Wer braucht mehr die beiden, Mann und Frau, Vater und Mutter, als die Kinder? Sie sind fast immer die am meisten Betroffenen. Und sie helfen oft, dass dann doch beide, Mann und Frau, verbunden bleiben.
Da kamen Pharisäer zu ihm und fragten: Darf ein Mann seine Frau aus der Ehe entlassen? Damit wollten sie ihm eine Falle stellen. Er antwortete ihnen: Was hat euch Mose vorgeschrieben? Sie sagten: Mose hat erlaubt, eine Scheidungsurkunde auszustellen und die Frau aus der Ehe zu entlassen. Jesus entgegnete ihnen: Nur weil ihr so hartherzig seid, hat er euch dieses Gebot gegeben. Am Anfang der Schöpfung aber hat Gott sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Zu Hause befragten ihn die Jünger noch einmal darüber. Er antwortete ihnen: Wer seine Frau aus der Ehe entlässt und eine andere heiratet, begeht ihr gegenüber Ehebruch. Auch eine Frau begeht Ehebruch, wenn sie ihren Mann aus der Ehe entlässt und einen anderen heiratet. Da brachte man Kinder zu ihm, damit er ihnen die Hände auflegte. Die Jünger aber wiesen die Leute schroff ab. Als Jesus das sah, wurde er unwillig und sagte zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes. Amen, das sage ich euch: Wer das Reich Gottes nicht so annimmt, wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er nahm die Kinder in seine Arme; dann legte er ihnen die Hände auf und segnete sie.
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