Die Ungewissheit der Zukunft macht Angst. Und doch, so bin ich sicher, überwiegt die Zukunftshoffnung, dieses tief im Menschenherzen sitzende Vertrauen, dass trotz aller Not einmal alles gut wird.
Die Ungewissheit der Zukunft macht Angst. Und doch, so bin ich sicher, überwiegt die Zukunftshoffnung, dieses tief im Menschenherzen sitzende Vertrauen, dass trotz aller Not einmal alles gut wird.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag,
18. November 2018 (Mk 13,24-32)
Was ist heute stärker – die Zukunftsangst oder die Zukunftshoffnung? In meiner Jugend war die Antwort klar: die Zukunftshoffnung! Denn hinter uns lagen Krieg, Heimatverlust, Vertreibung. Es waren schwere Jahre. Aber es ging aufwärts, jedes Jahr ein bisschen. Fortschritt war das Zauberwort. Jedes Jahr brachte ein bisschen mehr Wohlstand. Er war noch sehr bescheiden, aber es wurde spürbar immer besser. Zwar gab es auch Ängste: die Bedrohung durch die kommunistische Sowjetunion, die Gefahr eines Atomkrieges. Aber der Blick in die Zukunft war doch vor allem hoffnungsvoll.
Wie sieht das heute aus? Ich denke mir oft, dass die junge Generation es heute schwerer hat als in meiner Jugend. Jeden Tag ist die Rede vom Klimawandel und seinen Folgen. Wie sehen die Berufsaussichten aus? Wie wird es mit den großen Migrationsbewegungen weitergehen? Werden wir von anderen Völkern, Kulturen, Religionen überrannt? Wie wird Europa, wie die Welt in ein bis zwei Generationen aussehen? Überwiegt heute nicht eher die Zukunftsangst?
Und wie sah Jesus die Zukunft? Am Ende seines irdischen Lebens hat er viel darüber gesprochen. Einiges haben uns die Evangelien überliefert. Was lernen wir daraus für unsere eigenen Zukunftserwartungen? Zuerst fällt mir auf, dass Jesus von der Zukunft in Etappen spricht: von dem, was ihm unmittelbar bevorsteht; von dem, was auf die Menschen zukommt; und schließlich von dem, was am Ende der Zeit geschehen wird. So stellt sich ja auch für uns die Zukunftsfrage: Was erwartet mich jetzt, in der nächsten Zeit? Wie sind die Aussichten für die kommenden Jahre und Jahrzehnte? Und wann und wie kommt das Ende der Welt?
Über das, was Jesus bevorsteht, hat er immer wieder sehr klar gesprochen, auch wenn seine Jünger es nicht recht verstanden haben: Schweres Leid wartet auf ihn, Ablehnung, Kreuz und Tod. Immer sagte er aber auch, dass sein Tod nicht das Ende sein werde. Wenn er von seiner Auferstehung sprach, verstanden seine Jünger nicht, was er meinte.
Die nähere Zukunft sah Jesus nicht rosig. Er versprach keinen großartigen Fortschritt, sondern eine kommende Zeit der „großen Not“: Kriege, Erdbeben, Hungersnöte, Verfolgungen. Doch das alles sei erst der Anfang. Kosmische Katastrophen werden über die Erde hereinbrechen.
Wenn das alles geschieht, sollen wir erkennen, „dass das Ende vor der Tür steht“. Dann aber wird es ein gutes, herrliches Ende sein. Dann wird Christus, „der Menschensohn“ (so nennt er sich oft selber), wiederkommen „mit großer Macht und Herrlichkeit“. Wann wird das sein? Wann kommt das Ende? Jesus lehnt es entschieden ab, darüber zu spekulieren: „Jenen Tag und jene Stunde kennt niemand“, nur Gott allein.
Wir werden wohl kaum das Ende der Welt erleben, sehr wohl aber das Ende des eigenen Lebens. Wir wissen weder den Tag noch die Stunde. Gewiss ist nur, dass „unsere letzte Stunde“ kommt. Was erwartet uns bis dahin? Welche Welt wird die junge Generation erleben, wenn sie selber alt sein wird? Wir können manches ahnen, befürchten, hoffen. Wissen können wir es nicht. Und wie sieht unsere unmittelbare Zukunft aus? Was erwartet mich morgen, in den kommen Tagen und Wochen? Die Ungewissheit der Zukunft macht Angst. Und doch, so bin ich sicher, überwiegt die Zukunftshoffnung, dieses tief im Menschenherzen sitzende Vertrauen, dass trotz aller Not einmal alles gut wird. Alles vergeht. Gott bleibt. Das gibt Halt.
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: In jenen Tagen, nach der großen Not, wird sich die Sonne verfinstern, und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn mit großer Macht und Herrlichkeit auf den Wolken kommen sehen. Und er wird die Engel aussenden und die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen, vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels. Lernt etwas aus dem Vergleich mit dem Feigenbaum! Sobald seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. Genauso sollt ihr erkennen, wenn ihr all das geschehen seht, dass das Ende vor der Tür steht. Amen, ich sage euch: Diese Generation wird nicht vergehen, bis das alles eintrifft. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen. Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater.
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