Das von der Hitlerjugend im Oktober 1938 zerstochene Kreuz im Wiener Erzbischöflichen Palais, zur Zeit zu sehen im Dommuseum Wien in der Ausstellung "Zeig mir deine Wunde".
Das von der Hitlerjugend im Oktober 1938 zerstochene Kreuz im Wiener Erzbischöflichen Palais, zur Zeit zu sehen im Dommuseum Wien in der Ausstellung "Zeig mir deine Wunde".
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 25. November 2018 (Joh 18,33b-37)
Also bist du doch ein König? Diese Frage stellt der Statthalter des Kaisers einem wehrlosen Mann, der vor ihm als Angeklagter steht, wie ein Verbrecher. Jesus vor Pilatus: ein völliger Gegensatz! Hier der Mann aus Galiläa, den man zum Tod verurteilen will. Da der eigentliche mächtige Mann, der örtliche Vertreter des weltbeherrschenden römischen Kaisers. „Also bist du doch ein König?“ Die Antwort Jesu ist klar und doch rätselhaft: „Du sagst es, ich bin ein König.“
Heute ist der Christkönigssonntag. Er ist der letzte Sonntag im Kirchenjahr. Was bedeutet dieses Fest? Es ist ja noch nicht sehr alt. Erst im Jahr 1925 wurde es von Papst Pius XI. eingeführt. Eben haben wir den 100. Geburtstag unserer Republik gefeiert. Das Kaiserreich war mit dem Ende des Ersten Weltkriegs 1918 in mehrere Einzelstaaten zerfallen. Der Kaiser hatte abgedankt. Österreich wurde eine demokratische Republik. Was sollte da noch der Königstitel bedeuten?
Ich glaube, das Christkönigsfest will vor allem darauf hinweisen, dass es ein anderes Königtum gibt, ein Königtum, das anders „funktioniert“ als die Herrschaftsformen dieser Welt. „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“, sagt Jesus. Und wie es aussieht, das kann alle Welt feststellen, wenn wir auf Jesus schauen. Jesus sagt von sich selber, er sei „dazu geboren und dazu in die Welt gekommen“, um König zu sein. Und als solcher ist er auch gestorben. Als er gekreuzigt war, ließ Pilatus oben am Kreuz eine Tafel anbringen, die die Inschrift trug: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Die Inschrift war nicht nur hebräisch, sondern auch lateinisch und griechisch abgefasst, als wollte Pilatus sicherstellen, dass alle es lesen und verstehen können, in den damals wichtigsten Sprachen.
Einen gekreuzigten König feiern? Papst Pius XI. hat wohl geahnt, dass das für seine Zeit neue Bedeutung bekommen würde. Denn damals, 1925, zeichneten sich schon besorgniserregende Entwicklungen ab. Die Kaiserreiche waren zwar zerfallen, aber neue, grausame Reiche waren im Entstehen. Seit der Oktoberrevolution in Russland herrschte dort die Diktatur des Sowjetkommunismus mit seiner brutalen Verfolgung aller Andersdenkenden und aller Religionen. Und bei uns begannen die Ideen des Nationalsozialismus sich zu verbreiten mit seinem Rassenwahn, seinem Antisemitismus und seiner offenen Feindschaft gegen das Christentum.
Am 7. Oktober 1938 rief Kardinal Theodor Innitzer, der damalige Erzbischof von Wien, im Stephansdom den siebentausend Jugendlichen zu, die da zusammengekommen waren: „Jesus Christus ist unser Führer!“ Und er ermutigte sie, Christus treu zu bleiben. Es ist bekannt, was am nächsten Tag geschah: Die Hitlerjugend stürmte das Erzbischöfliche Palais, verwüstete es und wollte Innitzer, der sich rechtzeitig verstecken konnte, zum Fenster hinauswerfen. Die Spuren dieses Vandalismus sind heute noch am Bild des Gekreuzigten sichtbar: Christus, der König am Kreuz!
Jesus sagt zu Pilatus, wozu er als König gekommen ist: um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen. Was ist das Gegenteil von Wahrheit? Die Lüge, die Täuschung, der Schein, das Unehrliche und Unechte! Jesus beansprucht nicht die Weltherrschaft, obwohl er, der Sohn Gottes, der wahre Herr ist. Denn Gott allein ist Herr. Jesus will nur „für die Wahrheit Zeugnis ablegen“. Die Wahrheit kann schmerzlich sein. Es tut weh, wenn mir jemand die Wahrheit sagt, die ich verdrängt habe und nicht wahrhaben will. Jesus hilft uns, ehrlich und in der Wahrheit zu bleiben, uns nichts vorzumachen, nicht einzubilden, keine Illusionen zu haben. Jesus will uns zu freien, aufrechten, zu königlichen Menschen machen, die wahrhaft und daher glaubwürdig sind. Das heutige Christkönigsfest ist wie eine große Bitte, dass in unserer Welt mehr Wahrheit, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Güte herrscht. Anfangen müssen wir freilich bei uns selber. Und das ist schwierig genug.
In jener Zeit fragte Pilatus Jesus: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben es dir andere über mich gesagt? Pilatus entgegnete: Bin ich denn ein Jude? Dein eigenes Volk und die Hohenpriester haben dich an mich ausgeliefert. Was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde. Aber mein Königtum ist nicht von hier. Pilatus sagte zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.
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Die "Gedanken zum Evangelium" jeden Sonntag auf "radio klassik Stephansdom" zum Nachhören:
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Ausstellung
Dommuseum Wien