Jesus Christus sagt: "Eure Erlösung ist nahe!"
Jesus Christus sagt: "Eure Erlösung ist nahe!"
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag,
2. Dezember 2018 (Lk 21,25-28.34-36)
Heute beginnt der Advent. Er endet mit Weihnachten, dem Fest der Geburt Jesu. Advent heißt auf Deutsch Ankunft. Es geht in dieser Zeit des Advents um die Ankunft Jesu. Zu Weihnachten wird überall auf der Welt das Lied "Stille Nacht" gesungen. Heuer feiert es seinen 200. Geburtstag. Es ist wunderbar tröstlich, und obwohl ich es seit so vielen Jahren schon singe, berührt es mich jedes Mal neu. Es besingt die Freude über die Ankunft des Erlösers: "Christus, der Retter ist da!" Advent ist die Zeit der Vorfreude auf Weihnachten. Trotz allem vorweihnachtlichen Betrieb hat der Advent diese freudige Grundstimmung nicht verloren.
Das Evangelium vom ersten Adventsonntag klingt freilich gar nicht nach Adventstimmung. Da ist von einem ganz anderen Advent die Rede, von einer höchst bedrohlichen Zukunft. Was da auf uns zukommt, ist nicht die liebliche Weihnacht, sondern "es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen, auf Erden werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres". Was auf uns zukommt, ist voller Schrecken: "Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen."
Manchmal frage ich mich, ob wir mit all dem Adventrummel, den Christkindlmärkten und Punschhütten nicht versuchen, eine tiefsitzende Sorge zu verdrängen, die Angst zu übertönen vor dem, was möglicherweise auf uns zukommt. Ich glaube, viele von uns spüren, dass wir in sehr ungewisse Zeiten gehen. Der Klimawandel hat etwas Unheimliches. Wie wird er sich auswirken? Die Migration, die vielen Menschen, die flüchten, neue, bessere Lebensbedingungen suchen: Werden sie unsere gewohnte Welt verändern? Zukunftsängste bewegen viele, und manche versuchen, daraus politisches Kleingeld zu machen, indem sie diese Ängste schüren.
Nie war die Zukunft gewiss. Immer ist sie die große Unbekannte in unserem Leben, unberechenbar, unvorhersehbar. Keiner hat sie im Griff. Wie sollen wir uns auf sie einstellen? Wie ihr begegnen? Manche versuchen Sicherheit zu gewinnen, indem sie sich auf Horoskope verlassen. Andere verdrängen die Gedanken an das, was kommt. Hauptsache es geht ihnen heute gut. Der Advent wäre genau die richtige Zeit, um über das nachzudenken, was auf uns zukommt. Dazu müssen wir uns freilich Zeit nehmen, und gerade im Advent haben viele von uns gar keine Zeit vor lauter Terminen, Weihnachtseinkäufen und Adventfeiern. Eigentlich sollte der Advent die stillste Zeit des Jahres sein. Wenn er das nur wäre!
Was kommt auf uns zu? Jesus hat eine erstaunliche Antwort: Gerade wenn schwere Zeiten kommen, schaut Jesus nicht pessimistisch in die Zukunft: "Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe." Diese Worte voller Hoffnung setzen freilich eines voraus, was uns heute vielfach fremd geworden ist: Dieses Leben hier auf Erden ist nicht unsere Endstation! Jesus richtet den Blick seiner Zuhörer über den engen Horizont unseres irdischen Daseins hinaus. Er spricht von seinem letzten Advent, seiner Ankunft "mit großer Kraft und Herrlichkeit". Und er verheißt eine endgültige Erlösung aus aller Erdennot, ein Leben, das kein Leid mehr kennt und keinen Tod.
Was kommt auf uns zu? Der Advent soll uns weder Angst vor der Zukunft machen noch uns die Zukunft verdrängen lassen. Jesus lädt zur Nüchternheit ein, ganz wörtlich ("nehmt euch in Acht vor Rausch und Trunkenheit"), aber auch praktisch (dass "die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren") und seelisch ("wacht und betet allezeit"). Jedes Jahr wünsche ich mir, dass ich den Advent besinnlich lebe. Dazu ist er da! Möge es gelingen!
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein über das Toben und Donnern des Meeres. Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen; denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen, mit großer Kraft und Herrlichkeit. Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.
Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht wie eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt!
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