Nach seiner gewaltigen Bußpredigt fordert Johannes der Täufer nichts anderes als zu teilen.
Nach seiner gewaltigen Bußpredigt fordert Johannes der Täufer nichts anderes als zu teilen.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 16. Dezember 2018 (Lk 3,10-18)
Heute brennt bereits die dritte Kerze am Adventkranz. Heute ist der Sonntag „Gaudete“, „Freut euch!“ Das sind die ersten Worte im Gottesdienst des dritten Adventsonntags: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich euch: Freut euch! Denn der Herr ist nahe.“ Als Kinder haben wir uns auf Weihnachten gefreut. Nur mehr wenige Tage, dann kommt das Christkind! Als Erwachsene sind wir eher gestresst: Nur mehr wenige Tage bis Weihnachten und noch so viel zu tun!
Das Evangelium des dritten Adventsonntags stellte eine Person in den Mittelpunkt, die gewissermaßen die Erwartung verkörpert: Johannes den Täufer. Er wird auch der Vorläufer Jesu genannt, denn er sah seine ganze Mission darin, Jesus den Weg zu bereiten, die Menschen auf das Kommen Jesu vorzubereiten. Johannes zeigt ganz deutlich, um was es im Advent eigentlich geht. Er verstand sich als „die Stimme in der Wüste“, die allen zuruft: „Bereitet den Weg des Herrn!“ Und er zeigte den vielen Menschen, die zu ihm in die Wüste, an den Jordan kamen, wie sie das machen sollen. Deshalb passt Johannes der Täufer so gut in den Advent. Er ist wie ein Wegweiser für eine gute Vorbereitung auf Weihnachten.
Die Mutter des Johannes, Elisabeth, war eine Verwandte Marias. Johannes, etwa sechs Monate älter als Jesus, war also sein Cousin. Früh zog es ihn in die raue Einsamkeit der Wüste. Er dürfte dort mit anderen in einer Art Mönchsgemeinschaft gelebt haben, bis er den Ruf Gottes verspürte, die Menschen zur Buße und zur Umkehr aufzurufen. Scharenweise begannen sie zu ihm zu kommen, um sich von ihm im Jordan taufen zu lassen. Seine Predigt war hart und heftig: „Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, dass ihr dem kommenden Zorngericht entrinnen könnt? Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen … Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“
Das war wirklich eine Drohbotschaft. Johannes machte, wie man so sagt, den Leuten die Hölle heiß. Seine strenge Lebensweise, sein Bußgewand aus Kamelhaaren, seine karge Nahrung („Heuschrecken und wilder Honig“), alles sprach vom Ernst seiner Botschaft, vom bevorstehenden Gericht Gottes. Seine Worte und sein Beispiel verfehlten nicht ihre Wirkung. Betroffen fragen ihn die Menschen: „Was sollen wir also tun?“ Und diese Frage sollen auch wir uns stellen, in dieser Adventzeit, zur Vorbereitung auf Weihnachten: „Was sollen wir also tun?“
Die Antwort des Johannes finde ich überraschend. Nach dieser gewaltigen Bußpredigt würde ich eine Aufforderung zu großen Bußwerken erwarten, zu drastischen und dramatischen Veränderungen des Lebens. Stattdessen gibt der Bußprediger Johannes ganz einfach schlichte Hinweise, gar nichts Besonderes und Aufregendes. Was sollen wir tun? Teilen! „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat.“ Die meisten von uns haben mehr Gewand, als sie wirklich brauchen. Der Advent – Zeit zum Teilen! „Und wer zu essen hat, der handle ebenso.“ Es ist schön, wenn im Advent Weihnachtsbäckerei in Überfülle bereitet wird. Schöner ist es, wirklich mit denen zu teilen, die Hunger leiden. Den Zöllnern, also den Steuereintreibern, sagt Johannes ganz schlicht: „Verlangt nicht mehr als festgesetzt ist.“ Das gilt für uns alle: keine Ausbeutung des anderen, kein Übervorteilen und Beschwindeln! Und den Soldaten: „Misshandelt niemanden, erpresst niemanden, begnügt euch mit eurem Sold!“ Auch das gilt für jeden von uns, der über andere Macht hat: Missbrauche sie nicht, unterdrücke nicht die, die von dir abhängig sind, und lass sie nicht deine Macht spüren!
Was also sollen wir tun? Wie entgehen wir dem Gericht Gottes, das Johannes androht? Nicht durch außerordentliche Werke der Buße, sondern durch ganz einfache Änderungen unseres Verhaltens, durch das, was wir den schlichten, normalen Anstand nennen können. Der bringt die Freude, von der der heutige Sonntag spricht.
Da fragten die Scharen Johannes den Täufer: Was sollen wir also tun? Er antwortete ihnen: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso! Es kamen auch Zöllner, um sich taufen zu lassen, und fragten ihn: Meister, was sollen wir tun? Er sagte zu ihnen: Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist! Auch Soldaten fragten ihn: Was sollen denn wir tun? Und er sagte zu ihnen: Misshandelt niemanden, erpresst niemanden, begnügt euch mit eurem Sold! Das Volk war voll Erwartung und alle überlegten im Herzen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei. Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. Schon hält er die Schaufel in der Hand, um seine Tenne zu reinigen und den Weizen in seine Scheune zu sammeln; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen. Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk und verkündete die frohe Botschaft.
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