Duccio di Buoninsegna: Die Geburt Christi
Duccio di Buoninsegna: Die Geburt Christi
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Christtag, 25. Dezember 2018 (Joh 1,1-18 )
Gestern Abend wurde überall die Geburt Jesu gefeiert. Von Bethlehem war die Rede, von der Herberg-Suche der hochschwangeren Maria und von Josef, ihrem Mann, und davon, wie sie schließlich in einem Stall ihr Kind gebar und ein Futtertrog ihm als Bettchen diente. Auch von den Hirten auf dem nahen Feld war die Rede, denen plötzlich Engel erschienen, die ihnen die Geburt dieses Kindes verkündeten, das sie schließlich voll Freude fanden.
Heute, am Christtag, spricht das Evangelium eine ganz andere Sprache, feierlich, geheimnisvoll. Da ist keine Rede von Stall und Krippe, kein Wort von Maria, von Josef, den Hirten. Der Blick ist auf den Anfang gerichtet, auf das, was vor aller Zeit war: Gottes Ewigkeit. „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.“
Wir können uns die Ewigkeit nicht vorstellen. In unserer Erfahrung ist alles an Raum und Zeit gebunden. Alles hat einen Beginn und ein Ende, Gott aber ist ewig. Er ist Anfang von allem, Ursprung, Urgrund, aber er ist nicht einsam und alleine. Immer ist das Wort bei Gott: „Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.“ Das klingt wie hohe Philosophie, sagt aber eine tiefe, schlichte Wahrheit: Im Anfang der Welt, am Ursprung der Schöpfung, steht nicht ein sinnloses Chaos, sondern eine alles tragende Vernunft, ein Sinn, eine Ordnung, Gottes Wort.
Dieses Wort wirkt in allen Geschöpfen, denn „in ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen“. Es ist dieses wahre Licht, „das jeden Menschen erleuchtet“. Ich bin von dem Gedanken begeistert: In jedem Menschen ist der Funken dieses Lichtes. Gottes Wort, Gottes Leben, sein Geist und seine Kraft wirken in allen Wesen. Tragisch ist, dass wir so wenig wahrnehmen, wie Gottes Licht in uns Menschen da ist: „Die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Maria und Josef fanden in Bethlehem keine Aufnahme. Heute finden zahllose Menschen keine Aufnahme, als Flüchtlinge, als Arbeitsuchende, als Arme und Fremde. In diesen Menschen wird Gott die Aufnahme verweigert.
Aber Gott hat trotzdem einen Weg zu uns Menschen gefunden: Denn „das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“. Was wir gestern Abend von Jesu Geburt gehört haben, wird heute auf seine tiefste Bedeutung hin ausgeleuchtet. Das kleine Kind im Stall von Bethlehem ist Gott selber, Gottes ewiges Wort, das Mensch wurde, unser Bruder, unser Freund.
Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist. In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst. Ein Mensch trat auf, von Gott gesandt; sein Name war Johannes. Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen. Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit. Johannes legt Zeugnis für ihn ab und ruft: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war. Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade. Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.
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