Die Fastenzeit endet nicht am Karfreitag. Ihr Ziel ist der Ostermorgen, die Auferstehung Jesu. Haben wir eine Ahnung von diesem wunderbaren Glanz?
Die Fastenzeit endet nicht am Karfreitag. Ihr Ziel ist der Ostermorgen, die Auferstehung Jesu. Haben wir eine Ahnung von diesem wunderbaren Glanz?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 17. März 2019 (Lk 9,28b-36)
Ich frage mich jedes Jahr am zweiten Fastensonntag: Warum wird heute gerade dieses Evangelium gelesen? Warum dieses so einmalige Ereignis aus dem Leben Jesu, das man seine Verklärung nennt? Am vergangenen Sonntag, dem ersten der Fastenzeit, war die Rede von der Versuchung Jesu, als er vierzig Tage in der Wüste von Judäa fastete. Diese Fastenzeit Jesu ist ja das Vorbild für unsere vierzigtägige Fastenzeit. Was aber hat das rätselhafte Geschehen auf dem Berg Tabor in Galiläa mit dem Sinn der Fastenzeit zu tun? Darüber muss ich immer wieder nachdenken, wenn wir am zweiten Fastensonntag von der Verklärung Jesu hören.
Jesus liebte es, sich von Zeit zu Zeit auf einen Berg zurückzuziehen, um alleine zu sein und zu beten, manchmal die ganze Nacht hindurch. Diesmal nahm er ausnahmsweise drei seiner zwölf Apostel mit. Was sie dann, am helllichten Tag, erlebten, war einzigartig und geheimnisvoll. Sie behielten es lange Zeit für sich. Erst später, nachdem Jesus von den Toten auferstanden war, dürften sie den anderen davon erzählt haben.
Was geschah damals, als sie nach einem mühsamen Aufstieg oben auf den Berg angekommen waren? Während Jesus betete, „veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes und sein Gewand wurde leuchtend weiß.“ Petrus und die beiden anderen Begleiter waren eingeschlafen, wohl müde vom langen Aufstieg. Jetzt werden sie wach und sehen Jesus „in strahlendem Licht“. Zugleich erblicken sie zwei Männer, die mit Jesus reden. Irgendwie wird ihnen klar, dass es sich um zwei große Gestalten ihres Volkes handelt, um Mose und Elija. Sie sind zugleich begeistert und erschrocken von dem, was sie da erleben. Freude und Furcht mischen sich. Sie geraten in eine Wolke und hören eine Stimme. Wie lange hat diese Erfahrung gedauert? Wir wissen es nicht. Auf einmal sehen sie nur mehr Jesus alleine, wie vorher, wie gewohnt. Sie konnten dieses Erlebnis nie mehr vergessen.
Was aber hat es uns zu sagen, die wir nicht Augenzeugen des Geschehens am Berg Tabor sind? Was hat es speziell mit der Fastenzeit zu tun? Einen ersten Hinweis finde ich in der Tatsache, dass Jesus auf diesen Berg stieg, um zu beten. Sicher hat er auch die Schönheit der Natur, den großartigen Blick über das weite Land bewundert. Sein Aufstieg hatte aber das Ziel, nahe bei Gott zu sein, zu beten. Die Fastenzeit soll uns vor allem Gott näherbringen. Und das braucht Zeit, Stille, Sammlung. Darum sich zu bemühen, kann Kraft erfordern, wie beim Besteigen eines Berges. Aber es lohnt sich ganz sicher.
Mose und Elija sprechen mit Jesus „von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte“. Sie reden also mit ihm über sein bevorstehendes Leiden und Sterben. Auch das gehört zur Fastenzeit. Auch wir sind eingeladen, im Blick auf die Passion Jesu über unser eigenes Leben nachzudenken, über den Sinn des Leidens, über das Ende unseres irdischen Lebens.
Doch mitten in diesen ernsten Gedanken steht die Erfahrung, dass Jesus von innen her zu leuchten beginnt, Gesicht und Gewand werden strahlend von einem unfassbaren Licht. Die Fastenzeit endet nicht am Karfreitag. Ihr Ziel ist der Ostermorgen, die Auferstehung Jesu. Haben wir eine Ahnung von diesem wunderbaren Glanz? Manche Menschen, die schon kurz „klinisch tot“ waren, berichten von einer solchen unvergesslichen Lichterfahrung, vom Lichtglanz Gottes. Dieses Licht wartet auf uns, wenn die Fastenzeit unseres Erdenlebens vorbei ist. Dann dürfen auch wir schauen, was die drei Jünger auf dem Berg Tabor erlebt haben.
Es geschah aber: Etwa acht Tage nach diesen Worten nahm Jesus Petrus, Johannes und Jakobus mit sich und stieg auf einen Berg, um zu beten. Und während er betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes und sein Gewand wurde leuchtend weiß. Und siehe, es redeten zwei Männer mit ihm. Es waren Mose und Elija; sie erschienen in Herrlichkeit und sprachen von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte. Petrus und seine Begleiter aber waren eingeschlafen, wurden jedoch wach und sahen Jesus in strahlendem Licht und die zwei Männer, die bei ihm standen. Und es geschah, als diese sich von ihm trennen wollten, sagte Petrus zu Jesus: Meister, es ist gut, dass wir hier sind. Wir wollen drei Hütten bauen, eine für dich, eine für Mose und eine für Elija. Er wusste aber nicht, was er sagte. Während er noch redete, kam eine Wolke und überschattete sie. Sie aber fürchteten sich, als sie in die Wolke hineingerieten. Da erscholl eine Stimme aus der Wolke: Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören. Während die Stimme erscholl, fanden sie Jesus allein. Und sie schwiegen und erzählten in jenen Tagen niemandem von dem, was sie gesehen hatten.
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