Das leere Grab ist kein Beweis, dass Jesus auferweckt worden ist. Aber ohne das leere Grab kann nicht von Auferstehung Jesu die Rede sein. (Foto: Grab mit Rollstein aus der Zeit Jesu)
Das leere Grab ist kein Beweis, dass Jesus auferweckt worden ist. Aber ohne das leere Grab kann nicht von Auferstehung Jesu die Rede sein. (Foto: Grab mit Rollstein aus der Zeit Jesu)
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Ostersonntag, 21. April 2019 (Joh 20,1-9)
Es muss ein riesiger Schreck gewesen sein, als Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab kam und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Vor kurzem erst, am Freitagnachmittag, hatte der Ratsherr Josef von Arimathäa den Leichnam Jesu in das Felsengrab gelegt, das er für sich selber hatte anlegen lassen, im Garten neben der „Schädelstätte“, dem Richtplatz vor den Mauern Jerusalems, wo man Jesus mit zwei Verbrechern gekreuzigt hatte.
Maria von Magdala hat alles miterlebt. Sie ist nicht weggelaufen wie die Apostel. Sie ist bei Jesus geblieben, musste seine Qualen am Kreuz ohnmächtig ansehen und mitleiden. Als er schließlich gestorben war, hat sie mit anderen Frauen versucht, bei der Grablegung zu helfen. Und als man dann das Grab mit einem schweren Stein verschloss, ist sie noch lange dageblieben, in unbeschreiblicher Trauer.
Am übernächsten Tag, früh morgens, ist sie wieder da. Es drängt sie, es zieht sie hin zum Grab des Meisters, den sie wie keinen Menschen geliebt hat. Der Schock ist groß: der Stein vor dem Grab ist weg! Sie kann dafür nur eine Erklärung finden: Jemand hat die Leiche Jesu aus dem Grab weggenommen! Zum Leid über seinen Tod – jetzt auch noch der Raub seines Leichnams. Es bleibt ihr kein Kummer erspart! Wo ist seine Leiche? Wer hat sie weggenommen? Warum? Und wohin?
Mit diesen Fragen im Herzen eilt sie zu den Aposteln. Und diese laufen so schnell sie können zum Grab. Auch sie finden das Grab offen. Sie schauen hinein. Aber sein Leichnam ist weg. Was dachten sie sich dabei? Kam ihnen schon da der Gedanken, dass Jesu Leiche vielleicht deshalb nicht mehr im Grab lag, weil er von den Toten auferstanden war? Oder nahmen sie an, Jesu Leib sei weggetragen worden? Warum haben sie dann nicht gleich versucht, herauszufinden, wohin man ihn gelegt hat? Es sieht eher nach Ratlosigkeit aus, dass sie vorerst einmal wieder in ihr Quartier zurückgingen.
Ratlosigkeit über das leere Grab, die gibt es auch in unserer Zeit. Beweist es, dass Jesus auferstanden ist? Sicher nicht! Denn Jesu Leichnam könnte ja auch entwendet worden sein, wie Maria von Magdala anfangs befürchtete. Manche Theologen unserer Tage haben deshalb gemeint, es sei gar nicht so entscheidend, ob das Grab überhaupt leer war oder nicht. Wichtig sei nur, dass Jesus in unseren Herzen lebendig ist, und dass wir im Geist Jesu leben.
In dieser ganzen Diskussion hat mir ein Wort von Professor Kurt Schubert (1923-2007) sehr geholfen, dem großen Kenner des Judentums. Er weist darauf hin, dass alle damaligen Zeugen, Maria von Magdala und die Apostel, mit fester Überzeugung sagten, dass Jesus auferstanden sei. Daraus schließt Schubert, „dass sich die Botschaft von der Auferstehung Jesu in Jerusalem keinen Tag lang hätte halten können, wenn nicht tatsächlich ein leeres Grab Jesu gezeigt worden wäre, das auch allgemein als das Grab Jesu anerkannt worden wäre“.
„Wenn Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist unser Glaube sinnlos“, sagt der Apostel Paulus. Das leere Grab ist kein Beweis, dass Jesus auferweckt worden ist. Aber ohne das leere Grab kann nicht von Auferstehung Jesu die Rede sein. Erst als die Jünger Jesus tatsächlich sahen, wurde es für sie zur Gewissheit: Jesus lebt! Daran hängt unser Glaube!
Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben. Da gingen Petrus und der andere Jünger hinaus und kamen zum Grab; sie liefen beide zusammen, aber weil der andere Jünger schneller war als Petrus, kam er als Erster ans Grab. Er beugte sich vor und sah die Leinenbinden liegen, ging jedoch nicht hinein. Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Haupt Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle. Da ging auch der andere Jünger, der als Erster an das Grab gekommen war, hinein; er sah und glaubte. Denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse.
Mehr über Kardinal Christoph Schönborn
Die "Gedanken zum Evangelium" jeden Sonntag auf "radio klassik Stephansdom" zum Nachhören: