Eine Karikatur über Papst Franziskus sagt mehr als viele Worte. Das schwarze Schaf in seinen Armen zeigt, worum es Jesus geht.
Eine Karikatur über Papst Franziskus sagt mehr als viele Worte. Das schwarze Schaf in seinen Armen zeigt, worum es Jesus geht.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 12. Mai 2019 (Joh 10,27-30).
Es gibt auch schwarze Schafe. Das Wort ist allen bekannt, obwohl die meisten von uns wenig zu tun haben mit Schafherden. „Schwarze Schafe“, damit meinen wir Menschen, die etwas „ausgefressen“, angestellt haben, Menschen, die sich nicht so verhalten, wie es sich gehört. Weil sie schwarze Schafe sind, fallen sie auf. Normalerweise sind Schafe weiß. Schwarze Schafe sind Personen, die in der Gesellschaft keinen Platz haben. Sie sind ein „Schandfleck“ in der eigenen Familie, in ihrem Umfeld. Sie stören, sind peinlich, man schämt sich für sie und will mit ihnen nichts zu tun haben.
Der heutige Sonntag wird der „Gute-Hirten-Sonntag“ genannt. Jesus steht im Mittelpunkt. Er hat sich selber als der gute Hirte bezeichnet. Manche fanden, das sei eine Anmaßung, eine Selbstüberschätzung. Aber Jesus hat erklärt, was einen guten Hirten ausmacht: „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, sieht den Wolf kommen, lässt die Schafe im Stich und flieht; und der Wolf reißt sie und zerstreut sie. Er flieht, weil … ihm an den Schafen nichts liegt.“
Wer aber gehört zur Herde Jesu? „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir“, so heißt es im heutigen Evangelium. Kurz zuvor hat Jesus seinen Kritikern gesagt: „Ihr glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört.“ Gehören zu Jesus nur die braven Schafe? Hat er die schwarzen Schafe ausgeschlossen? Dann hätte Jesus einfach nur das getan, was wir alle tun: Wir wollen mit den schwarzen Schafen nichts zu tun haben! Wir gehen ihnen gegenüber auf Abstand! Nun hat aber Jesus anderswo ganz deutlich gesagt, wie er Hirte sein will und wer zu seiner Herde gehört. Als Jesus wieder einmal mit Zöllnern und Sündern gemeinsam bei Tisch saß, also mit „schwarzen Schafen“, da erzählte er seinen Kritikern ein Gleichnis aus dem Hirtenleben: „Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Wüste zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern“ und bringt es heim. Egal, ob es schwarz oder weiß war, es war verloren, und das ist dem guten Hirten nicht egal.
Immer wieder haben damals (und heute) sich Menschen darüber empört, dass Jesus sich mit Sündern, also mit „schwarzen“ Schafen, abgibt. Seine Antwort war klar und deutlich: „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Geht und lernt, was es heißt: Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer! Denn ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“
Was also tun mit den schwarzen Schafen? Sie zu weißen Schafen umfärben? Die Fehler verharmlosen? Die Sünden schönreden? Das kann nicht gemeint sein. Ein verlorenes Schaf ist ja nicht einfach spazieren gegangen. Es ist in größter Gefahr. Gerade deshalb geht der gute Hirte ihm nach, bis er es findet. Wenn es uns im Leben geschenkt wurde, nie ein schwarzes Schaf zu werden, ist das kein Grund, die schwarzen Schafe zu verachten. Jeder von uns kann einmal auf Irrwege oder Abwege geraten. Ist es nicht tröstlich, dann zu wissen: Jesus, der gute Hirt, wird mich nicht abschreiben, er wird mir nachgehen, bis er mich gefunden hat. So kostbar bin ich ihm!
Eine Karikatur über Papst Franziskus sagt mehr als viele Worte. Das schwarze Schaf in seinen Armen zeigt, worum es Jesus geht. Die Herde der weißen Schafe, die den Hirten umringt, scheint nicht eifersüchtig zu sein. Sie freuen sich mit: Das verlorene Schaf ist wiedergefunden!
Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie und sie folgen mir. Ich gebe ihnen ewiges Leben. Sie werden niemals zugrunde gehen und niemand wird sie meiner Hand entreißen. Mein Vater, der sie mir gab, ist größer als alle und niemand kann sie der Hand meines Vaters entreißen. Ich und der Vater sind eins.
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