Am Fest Christi Himmelfahrt geht es gerade nicht ums Sterben. Jesus ist auferstanden.
Am Fest Christi Himmelfahrt geht es gerade nicht ums Sterben. Jesus ist auferstanden.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Fest Christi Himmelfahrt, 30. Mai 2019 (Apg 1,1-11)
Im Allgemeinen wird das Thema Tod eher vermieden. Fast ist es ein Tabu, das man nicht anrührt. Aber es kann nicht umgangen werden kann. Es betrifft uns alle.
Am Fest Christi Himmelfahrt geht es gerade nicht ums Sterben. Jesus ist auferstanden. Das Grab ist leer, und er lebt. Aber er nimmt Abschied. Seit seiner „Himmelfahrt“, 40 Tage nach seiner Auferstehung, ist er nicht mehr unter uns. Zumindest nicht mehr so, wie er zu Lebzeiten unter den Menschen gelebt hat. Auf dem Ölberg, nahe der Stadt Jerusalems, „entschwindet“ Jesus den Blicken seiner Jüngerinnen und Jünger. Jetzt ist er „heimgegangen“ zu Gott, seinem Vater. Aber Jesus war nicht plötzlich weg. Er hat die Seinen behutsam und liebevoll auf diesen Abschied vorbereitet. Auch unser Sterben ist ein Abschiednehmen. Wir sprechen ja von der „Verabschiedung“ des Verstorbenen. Für die meisten Menschen ist damit aber auch die Hoffnung auf ein Wiedersehen verbunden. „Wir werden uns drüben wiederfinden“, so glauben und hoffen viele. Jesus hat uns darin bestärkt. Sein Abschied, seine „Himmelfahrt“, war ja ausdrücklich mit zwei Zusagen verbunden. Die erste lautet: „Ich gehe euch eine Wohnung bereiten“. Er geht uns voraus und er wird kommen, um uns heimzuholen, „damit auch ihr seid, wo ich bin“. Und die zweite Zusage lautet: „Ich lasse euch nicht als Waisen zurück.“ „Seht, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“
Abschied, und doch nicht einfach ganz weg sein. So versuche ich das heutige Fest zu verstehen. Ein wenig hilft mir dabei die Erinnerung an den Tod meines Vaters, bei dem ich dabei sein durfte. Mein Vater hatte die Diagnose Lungenkrebs. Er hat jegliche medizinische Behandlung abgelehnt. Er hat wohl gespürt, dass das Ende nahe war und keine Therapie eine Chance mehr hatte. Wir Kinder durften den Vater in der letzten Phase begleiten. Er ging ganz bewusst auf das Sterben zu, sprach offen darüber, und so konnten wir auch persönlich Abschied nehmen. Ich war bei ihm, als es soweit war. Wir konnten die Nacht noch an seinem Bett wachen, als er schon gestorben war. Diese Nacht bleibt mir unvergesslich. Am Morgen kam die Bestattung, und als sie mit dem Sarg aus dem Haus gingen, hatte ich das starke Empfinden: Was da weggetragen wird, ist nicht mein Vater. Das war sein Leib, er selber ist jetzt „drüben“. Und ich hatte zugleich den Eindruck, dass er irgendwie gegenwärtig war, mir nahe.
Es gibt viele Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nur ahnen können, ohne sie zu verstehen. Die Erinnerung an den Abschied von meinem Vater hilft mir, ein wenig zu ertasten, wie das mit Jesu Abschied, seiner Himmelfahrt, gewesen ist, und was es bis heute bedeutet. Jesus ist endgültig heimgekehrt, zu Gott, von dem er gekommen war. Er zeigt uns, wohin auch unser Weg geht, wo unser Ziel ist. Aber er hat uns nicht einfach verlassen, er ist bei uns, anders, nicht sichtbar, aber erfahrbar.
Er hat uns seine Hilfe versprochen, seine Kraft. Er nennt sie den Heiligen Geist. Und er traut uns zu, unser Leben und diese Welt zu gestalten, die Hände nicht in den Schoß zu legen, sondern uns aufzumachen und sein Werk weiterzuführen. So wurde aus dem Abschied ein Fest des Aufbruchs.
Im ersten Buch, lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde. Vorher hat er durch den Heiligen Geist den Aposteln, die er sich erwählt hatte, Anweisungen gegeben. Ihnen hat er nach seinem Leiden durch viele Beweise gezeigt, dass er lebt; vierzig Tage hindurch ist er ihnen erschienen und hat vom Reich Gottes gesprochen. Beim gemeinsamen Mahl gebot er ihnen: Geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt. Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft. Als sie nun beisammen waren, fragten sie ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde. Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten, standen plötzlich zwei Männer in weißen Gewändern bei ihnen und sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.
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