Jesus wollte sein Leben mit den Menschen teilen, wie er das Brot mit ihnen geteilt hat.
Jesus wollte sein Leben mit den Menschen teilen, wie er das Brot mit ihnen geteilt hat.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Fronleichnamsfest, 20. Juni 2019 (Lk 9,11b-17)
Heute wird in ganz Österreich ein seltsamer Ritus vollzogen. In allen Städten und Dörfern versammeln sich Menschen, um in einer Prozession ein Stück Brot feierlich durch die Straßen zu tragen. Dabei spielt die Blasmusik, es wird gesungen und gebetet. Immer wieder hält der Zug an, das Stück Brot wird erhoben, und mit ihm werden die Menschen gesegnet. Das strahlend weiße, scheibenförmige Brot wird freilich nicht einfach in der Hand gehalten, es befindet sich in der Mitte eines kostbaren, meist goldenen Gefäßes, das feierlich von einem Priester getragen wird. Um die Würde dieser Brotscheibe zu betonen, geht der Priester mit dem Gefäß unter einem von vier Personen getragenen Baldachin.
Viele Menschen in Österreich ist dieser Ritus wohlbekannt. Es ist die Fronleichnamsprozession. Das Brotgefäß ist die Monstranz, der Baldachin der „Himmel“. Und auch die Bedeutung dieser Zeremonie ist nicht unbekannt. Denn das Stückchen Brot gilt als das Kostbarste, was man sich vorstellen kann. Es wird „das Allerheiligste“ genannt, weshalb es mit so viel ausgewählter Feierlichkeit umgeben wird. Man spricht vom „heiligen Brot“, vom „geweihten Brot“. Es wird aber auch einfach „Leib Christi“ geheißen. Das Wort „Fronleichnam“ bedeutet ja „Leib des Herrn“.
Jedes Jahr nehme ich an einer dieser Prozessionen teil, dem „Stadtumgang“ in der Wiener Innenstadt. Wenn ich selber dieses Stück Brot in der Monstranz durch die Straßen trage, bewegt mich immer neu die Frage: Was denken sich wohl die vielen Touristen, an denen wir vorbeiziehen? Und was empfinden unsere eigenen Landsleute, die mit diesem seltsamen Schauspiel wenig anzufangen wissen? Dann kommt mir immer wieder die persönliche Frage: Was bedeutet dieser Tag, dieser Umzug für mich selber? Was sagt mir diese weiße Brotscheibe, die ich an den Menschen am Straßenrand vorbeitrage?
Viele Gedanken gehen mir dabei durch Herz und Sinn. Zuerst ist es einfach die Dankbarkeit für das tägliche Brot. Jesus hat uns gelehrt, wir sollten Gott ums tägliche Brot bitten. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir zu essen haben. Brot steht für die Nahrung, ohne die wir nicht leben können. Das allein wäre Grund genug, einmal im Jahr ein Stück Brot zu verehren, als Dank und Bitte an Gott, dass uns das Brot nie fehlen möge.
Ich denke auch daran, dass Jesus immer wieder das Brot geteilt hat. Nach jüdischem Ritus hat er vor jeder Mahlzeit den Brotsegen gesprochen und das Brot gebrochen und ausgeteilt. Jesus hat uns nicht gelehrt, nur für mein tägliches Brot zu beten, sondern für unseres. Brot muss für alle da sein. Bis heute bringe ich es nicht über mich, Brot wegzuwerfen. Deshalb ist das Teilen des Brotes mit den Anderen etwas Heiliges.
Heiliges Brot: Das weiße Brot in der Monstranz ist der Leib Jesu selber. Jesus wollte sein Leben mit den Menschen teilen, wie er das Brot mit ihnen geteilt hat. Deshalb hat er Brot zu seinem Leib gemacht, damit er selber uns zur Nahrung wird. Dieses lebendige Brot, Jesus selber, zu verehren, das ist der Sinn der vielen Prozessionen, die heute im ganzen Land gefeiert werden.
In jener Zeit redete Jesus zum Volk vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. Als der Tag zur Neige ging, kamen die Zwölf und sagten zu ihm: Schick die Leute weg, damit sie in die umliegenden Dörfer und Gehöfte gehen, dort Unterkunft finden und etwas zu essen bekommen; denn wir sind hier an einem abgelegenen Ort. Er antwortete ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen! Sie sagten: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische; wir müssten erst weggehen und für dieses ganze Volk etwas zu essen kaufen. Es waren nämlich etwa fünftausend Männer. Er aber sagte zu seinen Jüngern: Lasst sie sich in Gruppen zu ungefähr fünfzig lagern! Die Jünger taten so und veranlassten, dass sich alle lagerten. Jesus aber nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis und brach sie; dann gab er sie den Jüngern, damit sie diese an die Leute austeilten. Und alle aßen und wurden satt. Als man die übrig gebliebenen Brotstücke einsammelte, waren es zwölf Körbe voll.
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