Das heutige Evangelium stellt mir vor allem eine persönliche Frage: Wie sieht es mit meiner eigenen Nachfolge Jesu aus? Bin ich bereit, mich voll und ganz auf seinen Weg einzulassen, ohne Zwang, aus freiem Entschluss, mit ganzem Herzen?
Das heutige Evangelium stellt mir vor allem eine persönliche Frage: Wie sieht es mit meiner eigenen Nachfolge Jesu aus? Bin ich bereit, mich voll und ganz auf seinen Weg einzulassen, ohne Zwang, aus freiem Entschluss, mit ganzem Herzen?
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 30. Juni 2019 (Lk 9,51-62)
Die große spanische Mystikerin Teresa von Avila (1515-1582) hat einmal zu Jesus im Gebet gesagt: „Herr, du darfst dich nicht wundern, dass du so wenige Freunde hast, wenn du sie so schlecht behandelst.“ An dieses Wort der heiligen Teresa habe ich mich beim Nachdenken über das heutige Evangelium erinnert. Es ist erschreckend, wie Jesus mit Menschen umgeht, die ihm nachfolgen wollen. Fast gewinnt man den Eindruck, er rate davon ab, sich auf den Weg mit ihm einzulassen.
Von drei Menschen ist die Rede, die eigentlich ganz bereit waren, Jünger Jesu zu werden. Aber allen dreien legt er die Latte so hoch, dass ihnen Zweifel kommen, ob sie sich unter diesen harten Bedingungen darauf einlassen wollen, wirklich den Weg mit Jesus zu wagen.
Da ist einer, der ganz willens ist, Jesus nachzufolgen, „wohin du auch gehst“. Statt ihn zu ermutigen, sagt ihm Jesus nüchtern, wie sein Leben aussieht: kein Zuhause, harte Lebensbedingungen. Die Füchse und die Vögel haben es besser als er in seiner rastlosen Wanderschaft.
Jesus hat immer wieder Menschen von sich aus aufgefordert, mit ihm zu kommen. Einer wäre ganz dazu bereit, er will nur vorher den eben verstorbenen Vater begraben. Jesu Antwort ist schockierend: „Lass die Toten ihre Toten begraben“, als gäbe es nicht die heilige Pflicht, für ein würdiges Begräbnis der Eltern zu sorgen.
Einem Dritten, der gerne bereit ist, Jünger Jesu zu werden, versagt er, sich von seiner Familie zu verabschieden, als wollte er sagen: Du taugst nicht dazu, mein Jünger zu sein, wenn du nicht mit deiner Familie brichst.
Heutzutage würde man einen „Meister“, der seinen Anhängern solche Bedingungen stellt, verdächtigen, eine Sekte zu gründen. Verlangt Jesus von seinen Jüngern, alle natürlichen Bindungen abzubrechen, um nur mehr völlig ihm zu gehorchen?
Auffallend ist freilich, dass der Evangelist Lukas von keinem der drei Kandidaten berichtet, wie sie sich schließlich entschieden haben. Das zeigt, dass Jesus kein Sektenanführer war. Im Gegenteil: Er drängt keinen, sich ihm anzuschließen. Er lässt jedem die Freiheit. Er ist so ehrlich, allen offen zu sagen, dass sein Weg nicht leicht ist: Entscheide dich in aller Freiheit!
Zwang darf es in der Nachfolge Jesu nicht geben. Das heutige Evangelium ist ein starkes Zeugnis dafür, dass Jesus keinen blinden Gehorsam, keine sklavische Unterwerfung will. Und auch keine fanatischen, gewaltbereiten Anhänger. Die beiden Zebedäussöhne, Jakobus und Johannes, weist er entschieden zurecht, als sie „Feuer vom Himmel“ auf ein Dorf in Samarien herabwünschen, nur weil man sie dort nicht aufnehmen wollte. Feuer und Schwert hat Jesus immer abgelehnt. Gewalt ist nicht sein Weg!
Das heutige Evangelium stellt mir vor allem eine persönliche Frage: Wie sieht es mit meiner eigenen Nachfolge Jesu aus? Bin ich bereit, mich voll und ganz auf seinen Weg einzulassen, ohne Zwang, aus freiem Entschluss, mit ganzem Herzen? Wie ernst habe ich bisher meinen Glauben genommen? Wie echt ist mein Christsein? Mich tröstet, dass auch große Heilige das Gefühl hatten, im Christsein eigentlich noch Anfänger zu sein.
Es geschah aber: Als sich die Tage erfüllten, dass er hinweggenommen werden sollte, fasste Jesus den festen Entschluss, nach Jerusalem zu gehen. Und er schickte Boten vor sich her. Diese gingen und kamen in ein Dorf der Samariter und wollten eine Unterkunft für ihn besorgen. Aber man nahm ihn nicht auf, weil er auf dem Weg nach Jerusalem war. Als die Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sagten sie: Herr, sollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel fällt und sie verzehrt? Da wandte er sich um und wies sie zurecht. Und sie gingen in ein anderes Dorf. Als sie auf dem Weg weiterzogen, sagte ein Mann zu Jesus: Ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst. Jesus antwortete ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann. Zu einem anderen sagte er: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst weggehen und meinen Vater begraben! Jesus sagte zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes! Wieder ein anderer sagte: Ich will dir nachfolgen, Herr. Zuvor aber lass mich Abschied nehmen von denen, die in meinem Hause sind. Jesus erwiderte ihm: Keiner, der die Hand an den Pflug gelegt hat und nochmals zurückblickt, taugt für das Reich Gottes.
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