Die enge Tür steht mitten in unserem Leben. Warum ist es nicht leicht, durch sie zu gehen? Weil ich mit meinem großen, breiten Egoismus nicht durchkomme!
Die enge Tür steht mitten in unserem Leben. Warum ist es nicht leicht, durch sie zu gehen? Weil ich mit meinem großen, breiten Egoismus nicht durchkomme!
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 25. August 2019 (Lk 13,22-30)
Das ist heute oft zu hören. Und irgendwie spüren viele, dass es stimmt. Es wird eng mit dem Klimawandel. Es wird eng mit der Zukunft unserer Konsumgesellschaft. Und oft wird es auch eng in unserem persönlichen Leben, wenn Beziehungen in Krise geraten, Schuldentilgungen das Monatsbudget belasten, die Gesundheit auslässt und so weiter …
Jesus spricht von einer engen Tür. Und von einem Gedränge, hindurchzukommen. Und davon, dass viele es nicht schaffen werden. Kein sehr ermutigendes Bild! Aber um welche Türe handelt es sich? Jesus antwortet mit dem Bild von der engen Tür auf die Frage eines Mannes: „Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden? Wie sehr bewegt diese Frage uns heute noch? Es geht um das ewige Leben, die Rettung von der ewigen Verdammnis. Für frühere Generationen war dies eine dramatische Frage: Hölle oder Himmel? Ewiges Unglück oder ewiges Glück? Allen waren die Darstellungen des Jüngsten Gerichts bekannt. Da gibt es die Gerechten, die zum Himmel aufsteigen, und die Verdammten, die in die Hölle stürzen. Dort werde, so sagt es Jesus selber, „Heulen und Zähneknirschen“ sein.
Werden nur wenige gerettet? Die besorgte Frage dieses Mannes hat jahrhundertelang die Menschen bewegt. Ist es wirklich so, dass die meisten Menschen für immer verloren gehen? Heute ist eher die umgekehrte Sicht zur Grundstimmung geworden: Wenn es ein ewiges Leben gibt, dann wird es ein glückliches sein. Und falls es eine Hölle gibt, dann ist sie eher schwach besiedelt, ja vielleicht sogar leer. Irgendwie hat sich das Bild gewandelt, und die meisten Menschen stimmen dem optimistischen Lied zu: Wir kommen alle, alle in den Himmel!
Doch was antwortet Jesus wirklich auf die Frage dieses Mannes? „Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen.“ Wo steht diese enge Tür? Am Ende des Lebens? Ist sie das schmale Tor des Todes, durch das wir uns alle hindurchzwängen müssen? Ich glaube, diese Türe steht nicht erst am Ende unseres Lebens, sondern mitten im Alltag.
Ein einfaches Beispiel: Jemand hat mich sehr gekränkt, beleidigt, verletzt. Wie gehe ich damit um? Zuerst drängt es mich, zurückzuschlagen, mich zu rächen oder zumindest auf völlige Ablehnung des anderen zu gehen. Doch da steht die enge Tür des Verzeihens. Es ist schwer, durch sie hindurchzukommen. Viele versuchen es gar nicht. Sie sehen, wie sehr sie sich anstrengen müssten, um das zu schaffen. Sie bleiben unversöhnt, im Streit, oft sogar im Hass. Und so entsteht die Hölle auf Erden: endlose Feindschaft, bittere Rache, eine lieblose, freudlose Welt. Wer es schafft, sich zu überwinden und dem zu verzeihen, der ihn gekränkt und verletzt hat, der erfährt schon jetzt ein Stück Himmel auf Erden. Wer erlebt hat, wie glücklich eine echte Versöhnung macht, auch wenn sie schwerfällt, der wundert sich, warum so wenig Versöhnung geschieht.
Die enge Tür steht mitten in unserem Leben. Warum ist es nicht leicht, durch sie zu gehen? Weil ich mit meinem großen, breiten Egoismus nicht durchkomme! Ich muss von mir selber loslassen, das ganze schwere Gepäck meines Eigenwillens ablegen, um einfach, bescheiden, demütig auf die anderen zuzugehen. Himmel oder Hölle entscheiden sich nicht erst am Ende des Lebens, sondern jeden Tag. Da wird es oft sehr eng. Dann müssen wir Gott bitten, uns zu helfen. Ohne ihn schafft es keiner!
Auf seinem Weg nach Jerusalem zog er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und lehrte. Da fragte ihn einer: Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden? Er sagte zu ihnen: Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen. Wenn der Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt und ihr draußen steht, an die Tür klopft und ruft: Herr, mach uns auf!, dann wird er euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid. Dann werdet ihr anfangen zu sagen: Wir haben doch in deinem Beisein gegessen und getrunken und du hast auf unseren Straßen gelehrt. Er aber wird euch erwidern: Ich weiß nicht, woher ihr seid. Weg von mir, ihr habt alle Unrecht getan! Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein, wenn ihr seht, dass Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sind, ihr selbst aber ausgeschlossen seid. Und sie werden von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen. Und siehe, da sind Letzte, die werden Erste sein, und da sind Erste, die werden Letzte sein.
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