"Dankbarkeit ist etwas Kostbares, auch denen gegenüber, die nur ihre Pflicht tun. Wie gut tut es uns, wenn uns ein ehrliches, herzliches Danke gesagt wird, selbst wenn wir darauf kein Anrecht, keinen Anspruch haben", so Kardinal Christoph Schöborn.
"Dankbarkeit ist etwas Kostbares, auch denen gegenüber, die nur ihre Pflicht tun. Wie gut tut es uns, wenn uns ein ehrliches, herzliches Danke gesagt wird, selbst wenn wir darauf kein Anrecht, keinen Anspruch haben", so Kardinal Christoph Schöborn.
Gedanken zum Evangelium, von Kardinal Christoph Schönborn, am Sonntag, 6. Oktober 2019 (Lukas 17,5-10).
Bedanken Sie sich beim Kellner dafür, dass er Ihnen das Essen bringt? Er tut nur seine Pflicht! Schließlich haben sie das Essen bestellt und zahlen auch dafür, vielleicht sogar mit einem zusätzlichen Trinkgeld für den Kellner. Wer hat ein Anrecht auf ein „Dankeschön“? Der Taxifahrer, der Installateur, die Kassiererin im Supermarkt? Alle tun nur ihre Arbeit und verdienen so ihr Geld (auch wenn sie mit ihrer Arbeit kaum reich werden).
Und dennoch: Dankbarkeit ist etwas Kostbares, auch denen gegenüber, die nur ihre Pflicht tun. Wie gut tut es uns, wenn uns ein ehrliches, herzliches Danke gesagt wird, selbst wenn wir darauf kein Anrecht, keinen Anspruch haben. Auch freuen wir uns über ein Lob, wenn dadurch unsere Arbeit Anerkennung findet. Zu einer Kultur des Zusammenlebens gehören Dank, Anerkennung und Lob, auch für die selbstverständlichen Dinge des Alltags. Man muss nicht Danke sagen für eine Leistung, die der andere erbringen muss. Aber das Leben ist viel schöner, wenn wir öfter Dankbarkeit zeigen.
Jesus verwirrt uns wieder einmal, indem er das Gegenteil vom eben Gesagten zu lehren scheint. Muss der Herr sich beim Knecht dafür bedanken, dass er seine Pflicht tut? Ist Jesus gegen die Dankbarkeit? Ich glaube, es geht ihm um etwas anderes. Es geht um unsere Erwartungshaltung. Ich darf mich freuen, wenn jemand mir herzlich dankt für meine Arbeit. Aber darf ich den Dank erwarten oder gar einfordern, wenn ich eh nur getan habe, was meine Pflicht ist? Petrus hatte Jesus einmal gesagt: „Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird also unser (Lohn) sein?“ Der Arbeiter hat ein Recht auf seinen Lohn. Das hat auch Jesus klar gelehrt. Aber dard ich von Gott, von Christus Lohn erwarten, vielleicht sogar finden?
Heute verbreitet sich immer mehr die Anspruchshaltung. Wenn ein Zug verspätet ist, fordern manche eine Entschädigung. Er ist etwas Gutes, dass viele Entschädigungsansprüche rechtlich geregelt sind. Das schützt den Einzelnen im Unglücksfall. Versicherungen geben Sicherheit in Notsituationen. Aber all das hat seine Grenzen. Es gibt keinen Anspruch auf ewige Gesundheit und ein unfallfreies Leben. Und doch neigen wir dazu, so etwas von Gott zu erwarten. „Was habe ich getan, dass Gott mich nicht vor Leid beschützt? „Ich habe mich bemüht, ein ehrliches und anständiges Leben zu führen. Warum lässt Gott zu, dass mich jetzt dieses Unglück trifft?“
Will Jesus uns mit diesen herben Worten über Herr und Knecht vielleicht vor allem helfen, Gott gegenüber unser Anspruchsdenken fallen zu lassen, Gott schuldet uns nichts. Sein Lohn für unsere Leistungen ist ein freies Geschenk, nicht eine einklagbare Leistung. Der Taxifahrer hat kein Anrecht auf mein Danke, nur auf meine Bezahlung. Gott gegenüber kann ich nie bezahlen, was ich ihm verdanke. Ich habe aber auch keinen Anspruch auf das, was Er mir schenkt.
Ich erinnere mich an Papst Johannes Paul II. Wenn man ihm zu einem seiner großen Erfolge oder zu seinen Leistungen gratulierte, pflegte er nur nüchtern und knapp zu sagen: „Wir sind unnütze Knechte.“ Er wusste, dass es nicht sein Verdienst war, sondern einfach sein Dienst: „Wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.“
Was folgt aus Jesu Lehre für unseren Alltag? Wir dürfen uns über Dank und Anerkennung freuen, wir sollen aber nicht darum buhlen. Und wir sollten dankbar sein, wenn wir dienen dürfen. Jesus lädt uns zur inneren Freiheit ein. Diese wird umso größer sein, je weniger wir Dank von den anderen fordern und je mehr wir den anderen gegenüber Dankbarkeit zeigen. Dazu braucht es freilich einen starken Glauben, ein großes Gottvertrauen. Daher bitten die Apostel Jesus: „Stärke unseren Glauben!“
Die Apostel baten den Herrn: Stärke unseren Glauben! Der Herr erwiderte: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen. Wenn einer von euch einen Knecht hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Komm gleich her und begib dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst auch du essen und trinken. Bedankt er sich etwa bei dem Knecht, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde? So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.
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