Es ist schön, wenn wir gesund sein dürfen, wenn wir Frieden und Wohlergehen leben dürfen. Aber erst die tiefe Dankbarkeit Gott und den Menschen gegenüber schenkt uns Freude.
Es ist schön, wenn wir gesund sein dürfen, wenn wir Frieden und Wohlergehen leben dürfen. Aber erst die tiefe Dankbarkeit Gott und den Menschen gegenüber schenkt uns Freude.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 13. Oktober (Lk 17, 11-19)
Dankbarkeit ist das Thema des heutigen Evangeliums. Es zeigt uns, wie schön gelebte Dankbarkeit ist und wie traurig und enttäuschend es ist, wenn sie fehlt. Jesus ist, begleitet von vielen Männern und Frauen, auf dem Weg nach Jerusalem, natürlich zu Fuß. Ich bin die Strecke öfters im Bus gefahren. Da hat man keine Gelegenheit, den Menschen zu begegnen. Jesus geht von Dorf zu Dorf und erlebt viel unterwegs. Sein Ruf als Wunderheiler geht ihm voraus. So verstehen wir, warum diese armen zehn Aussätzigen voll Hoffnung Jesus um Hilfe bitten. Man berichtet ja im ganzem Land von den unglaublichen Heilungen, die Jesus scheinbar ohne Anstrengung, nur durch sein Wort vollbringt.
So wagen es auch diese zehn Aussätzigen, aus der gebotenen Entfernung Jesus um sein Erbarmen zu bitten. Aussatz ist nach wie vor eine schreckliche Krankheit, die in den ärmsten Ländern wütet. Aus Angst vor Ansteckung wurden die an Lepra Erkrankten völlig isoliert. Sie mussten außerhalb der Ortschaft leben, durften keinerlei Kontakt mit den Gesunden haben, und wenn sich Menschen ihnen näherten, mussten sie als Warnung laut „unrein, unrein“ rufen. Wie ein Bild des Elends stehen diese zehn Aussätzigen und rufen Jesus nicht das übliche „Unrein“ zu, sondern eine herzbewegende Bitte: „Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns.“
Und Jesus hat Erbarmen. Er heilt sie freilich nicht einfach durch sein Machtwort, sondern er sagt, sie sollten tun, was im jüdischen Gesetz vorgeschrieben ist, wenn ein Leprakranker glaubt, geheilt zu sein: „Geht, zeigt euch den Priestern!“ Denn diese waren die oberste Gesundheitsbehörde, die die Heilung bestätigen musste. Die Aussätzigen tun, was Jesus ihnen gesagt hat. Unterwegs erleben sie spürbar, sichtbar das Unglaubliche, Unfassbare: Ihr von der Lepra entstellter Leib wird wieder gesund, ganz, normal, wundenfrei!
Hier kommt das Thema Dankbarkeit ins Spiel. Einer, nur einer von den zehn, kehrt um und dankt aus vollem Herzen für das unvorstellbar große Geschenk seiner plötzlichen Heilung. Und der war ein Andersgläubiger, kein Jude, sondern ein Samariter. „Wo sind die neun anderen?“ Diese schmerzliche Frage stellt Jesus an jeden von uns: Wie hast du es mit der Dankbarkeit? Ich stelle mir selber diese Frage: Bin ich dankbar Gott gegenüber? Ist Dankbarkeit bei mir eine Grundhaltung? Was ist das Enttäuschende am Verhalten der neun anderen Geheilten? Kaum geht es ihnen gut, scheinen sie völlig zu vergessen, dass sie noch wenige Stunden zuvor im schlimmsten Elend waren. Sie sind einfach glücklich, wieder gesund zu sein. Sie kehren schnell in ihre Familien, ins normale Leben zurück. Und vergessen einfach, danke zu sagen!
Ich glaube, das geschieht viel zu oft unter uns. Ich hatte vor einigen Monaten rasende Zahnschmerzen, so stark, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Mein Zahnarzt war so gütig, mich kurzfristig dranzunehmen, und es gelang ihm, schnell die Ursache der Schmerzen zu beheben. Ich war ihm ehrlich dankbar. Aber bin ich auch dankbar dafür, dass ich in einem Land leben darf, in dem die ärztliche Versorgung so gut ist? Danken wir Jesus dafür, dass er durch sein ganzes Wesen und Wirken so viel Menschlichkeit und Mitgefühl in die Welt gebracht hat? Vergessen wir Europäer, was wir alles dem Christentum verdanken? Verhalten wir uns wie die anderen neun Geheilten, die das alles, ohne daran zu denken und dafür zu danken, für selbstverständlich halten? Ohne Gott zu danken!
Es ist schön, wenn wir gesund sein dürfen, wenn wir in Frieden und Wohlergehen leben dürfen. Aber erst die tiefe Dankbarkeit Gott und den Menschen gegenüber schenkt uns Freude. Sind wir oft so griesgrämig und schauen so freudlos aus, weil es uns einfach an Dankbarkeit fehlt?
Lukasevangelium 17, 11-19
Und es geschah auf dem Weg nach Jerusalem: Jesus zog durch das Grenzgebiet von Samarien und Galiläa. Als er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen. Sie blieben in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns! Als er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und es geschah, während sie hingingen, wurden sie rein. Einer von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte Gott mit lauter Stimme. Er warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser Mann war ein Samariter. Da sagte Jesus: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun? Ist denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden? Und er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.
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