Einmal im Jahr wird herzhaft gefeiert, dass es so viele Frauen und Männer in der zweitausendjährigen Geschichte des Christentums gibt, die das Evangelium glaubwürdig gelebt.
Einmal im Jahr wird herzhaft gefeiert, dass es so viele Frauen und Männer in der zweitausendjährigen Geschichte des Christentums gibt, die das Evangelium glaubwürdig gelebt.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Fest Allerheiligen, 1. November 2019 (Mt 5,1-12a)
Feiert die Kirche Allerheiligen, um abzulenken von so manchem Unheiligen, das es in ihren Reihen gibt? Einmal im Jahr wird herzhaft gefeiert, dass es so viele Frauen und Männer in der zweitausendjährigen Geschichte des Christentums gibt, die zu Recht als heilig gelten, als Menschen, die das Evangelium glaubwürdig gelebt und in die Tat umgesetzt haben. Aller dieser großartigen Menschen gedenkt die Kirche heute. Sie feiert Erntedank dafür, dass die Saat des Evangeliums aufgegangen ist und reiche Frucht gebracht hat. Eine der schönsten Früchte des Evangeliums ist die Achtung und Wertschätzung für alle Menschen, besonders für die Armen, Bedrängten und Bedrohten.
Auf der Amazoniensynode, an der ich in Rom im Oktober teilnehmen durfte, ging es vor allem um die Amazonas-Völker, die in ihrem Lebensraum und ihren Lebensmöglichkeiten höchst bedroht sind. Die Kirche ist schon lange die mutigste Vorkämpferin für die Rechte dieser Völker, die in den Wäldern Amazoniens seit jeher beheimatet sind. Viele haben dafür mit ihrem Leben bezahlt.
Es war ein Papst, der als erster nach der Entdeckung und Eroberung Amerikas die Rechte der Indios verteidigte. Er war freilich in seinem Leben (zumindest anfangs) alles eher als ein Heiliger: Papst Paul III. (1534-1549). Ich habe ein wenig über ihn nachgelesen. Seine Schwester war eine Geliebte des Borgia-Papstes Alexander VI., der den erst 25-Jährigen zum Kardinal ernannte. Als er dann selber Papst wurde, machte er zwei seiner Enkelkinder zu Kardinälen, 16 und 14 Jahre alt.
Doch es war dieser Papst, der entschieden gegen die Versklavung und Verfolgung der Indios auftrat. Die Indios seien Menschen, die mit derselben Wertschätzung und Achtung zu behandeln seien wie alle Menschen. Sie dürfen nicht versklavt werden, denn sie sind nach Gottes Ebenbild geschaffen. Ihnen stehen die gleichen Rechte zu wie allen Menschen. Diese von Papst Paul III. 1537 erlassene Bulle ist eines der grundlegenden Dokumente des Völkerrechts. Bis heute gilt es, für die Rechte der Indios einzutreten, die immer noch mit Füßen getreten werden.
Paul III. wurde immer mehr zu einem vorbildlichen Christen. Die dringend notwendige Erneuerung der Kirche wurde sein Hauptanliegen, und er begann damit bei sich selber. Ihm verdankt die Kirche die Einberufung des großen Reformkonzils von Trient.
Keiner kommt als Heiliger auf die Welt. Alle Heiligen wurden es erst, oft nach Jahren der Irrwege und des Suchens. Und alle Heiligen wussten, dass sie selber Sünder sind. Aber auch das andere stimmt: Niemand ist ausgeschlossen vom Weg der Heiligkeit. Alle sind wir berufen, Heilige zu werden. Freilich: Aus eigener Kraft ist noch niemand heilig geworden, denn Gott allein ist der Heilige und ohne seine Hilfe wird aus keinem von uns ein Heiliger.
Was also macht die Heiligkeit aus? Wie wird man heilig? Die acht Seligpreisungen des heutigen Evangeliums sagen, wen Jesus als selig, als heilig bezeichnet. Es sind acht Wege, und nur schrittweise nähern wir uns dem Ziel: Arm sein vor Gott, so wie wir wirklich sind! Trauer annehmen und mittragen! Sanftmütig den eigenen Zorn überwinden! Gerechtigkeit wie das tägliche Brot erbitten! Barmherzig statt hartherzig werden! Reines Herz, frei von Falschheit! Frieden stiften statt Streit entfachen! Lieber Verfolgung leiden als andere verfolgen! Über alle solche Menschen freut sich heute die Kirche!
Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf den Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm. Und er öffnete seinen Mund, er lehrte sie und sprach: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden. Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden. Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.
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