Heute sagt fast die Hälfte der Menschen in unserem Land, dass mit dem Tod alles aus sei.
Heute sagt fast die Hälfte der Menschen in unserem Land, dass mit dem Tod alles aus sei.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag, 10. November 2019 (Lk 20,27-38)
Die Bibel lädt zum Teilen ein, zum Austausch, zum Gespräch. Wer sich auf die Bibel einlässt, bekommt Lust darauf, die eigenen Erfahrungen beim Bibellesen mit anderen zu teilen. In vielen Gemeinden gibt es Bibelrunden. Man trifft sich regelmäßig, liest miteinander eine Bibelstelle, betrachtet sie, lässt sie auf sich wirken und tauscht dann darüber aus: Was sagt dir, was sagt mir dieser Abschnitt aus der Bibel? Wie ist er zu verstehen? Was bedeutet er für unser Leben? So wird das Wort der Bibel für uns zum lebendigen Wort Gottes, das uns prägt und verwandelt.
Es gibt aber auch den Austausch über die Bibel durch das, was andere darüber geschrieben haben. Ich lese gerne alte und neue Kommentare zum Evangelium. Seit 2000 Jahren denken Menschen über die Worte Jesu nach, haben darin Nahrung für ihre Seele gefunden, Trost, Stärkung und Wegweisung. Da gibt es die großen alten Meister wie den heiligen Augustinus oder den heiligen Johannes Chrysostomus. Aber auch zeitgenössische Autoren, Bibelwissenschaftler, geistliche Lehrer, einfache Pfarrer, die treu und mit persönlicher Anteilnahme die Worte der Heiligen Schrift betrachten und auslegen.
Einem möchte ich meinen persönlichen Dank aussprechen, weil ich von ihm so oft kostbare Anregungen zum eigenen Verständnis des Evangeliums erhalte. Es ist mein Schulfreund Peter Mathei, seit vielen Jahren Pfarrer in Alberschwende im Bregenzerwald. Seine so lebensnahen Gedanken zum Evangelium sind mir oft eine Freude und Hilfe. So auch zum heutigen Evangelium. Er notiert dazu: „Es ist mir völlig unverständlich, ja es scheint mir gerade ein Trotz-Akt zu sein, wenn jemand sagt: Ich glaube nicht an eine Auferstehung. Es gibt kein Leben nach dem Tod. Da habe ich den Verdacht: Das ist eine mutwillige Leugnung von einem Glauben, den jeder Mensch in sich trägt.“
Damals, zur Zeit Jesu, leugneten die Sadduzäer, dass es eine Auferstehung, ein Leben nach dem Tod gibt. Heute sagen fast die Hälfte der Menschen in unserem Land, dass mit dem Tod alles aus sei. Mich hat von Jugend an beeindruckt, dass es Menschen gibt, die Gott und das ewige Leben leugnen und (trotzdem) hochanständige, hilfsbereite Menschen sind. Mein Freund Peter Mathei ist offensichtlich auch von dieser Frage bewegt. Er meint, dass die, die Gott und das ewige Leben leugnen, sich oft trotzdem ganz anders verhalten. Warum bemühen sie sich, bessere Menschen zu werden? Warum lassen sie sich nicht einfach gehen? Warum überwinden sie ihren Zorn? Warum arbeiten sie täglich an sich selber?
Ist nicht in all dem etwas spürbar, das über den Tod hinausweist? Pfarrer Peter Mathei hat in seinem Priesterleben viele Begräbnisse gehalten. Er gibt Folgendes zu denken: Oft wird bei einem Nachruf am Grab der Verstorbene persönlich angesprochen. Zeigt das nicht, dass wir alle insgeheim glauben, dass der Verstorbene weiterlebt? Der Leichnam, der ins Grab gelegt wird, ist eben nicht alles. Wenn wir ans Grab der Mutter oder eines Freundes gehen, dann geht es uns doch nicht nur um ein Stück toter Materie.
Es tut gut, miteinander über das Evangelium auszutauschen. Jesus hat selber, so zeigt es das heutige Evangelium, im Gespräch seine Sicht erklärt, Gründe dafür angeführt. Auch wir müssen heute gute Gründe für unseren Glauben an Gott und die Auferstehung nennen. Denn „er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden“.
Von den Sadduzäern, die bestreiten, dass es eine Auferstehung gibt, kamen einige zu Jesus und fragten ihn: Meister, Mose hat uns vorgeschrieben: Wenn ein Mann, der einen Bruder hat, stirbt und eine Frau hinterlässt, ohne Kinder zu haben, dann soll sein Bruder die Frau nehmen und seinem Bruder Nachkommen verschaffen. Nun lebten einmal sieben Brüder. Der erste nahm sich eine Frau, starb aber kinderlos. Da nahm sie der zweite, danach der dritte und ebenso die anderen bis zum siebten; sie alle hinterließen keine Kinder, als sie starben. Schließlich starb auch die Frau. Wessen Frau wird sie nun bei der Auferstehung sein? Alle sieben haben sie doch zur Frau gehabt. Da sagte Jesus zu ihnen: Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten. Die aber, die gewürdigt werden, an jener Welt und an der Auferstehung von den Toten teilzuhaben, heiraten nicht, noch lassen sie sich heiraten. Denn sie können auch nicht mehr sterben, weil sie den Engeln gleich und als Kinder der Auferstehung zu Kindern Gottes geworden sind. Dass aber die Toten auferstehen, hat schon Mose in der Geschichte vom Dornbusch angedeutet, in der er den Herrn den Gott Abrahams, den Gott Isaaks und den Gott Jakobs nennt. Er ist doch kein Gott von Toten, sondern von Lebenden; denn für ihn leben sie alle.
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