"Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein" (Lukasevangelium, Kapitel 24)
"Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein" (Lukasevangelium, Kapitel 24)
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium, 24. November 2019 (Lk 23,35b-43)
Heute in einem Monat ist Heiliger Abend, Weihnachten. Wie schnell ist das Jahr (fast schon) zu Ende! Der kommende Sonntag ist bereits der erste Adventsonntag, der Beginn des neuen Kirchenjahres. Seit Tagen haben überall die Adventmärkte geöffnet, als könnten sie Weihnachten nicht erwarten.
Heute ist das Christkönigsfest, wie immer am letzten Sonntag im Kirchenjahr. Es lenkt den Blick auf den, der vor seinem Richter Pontius Pilatus die schlichten, direkten Worte gesagt hat: „Ja, ich bin ein König!“ Mitten in all den Wirbel der Welt um Macht und Herrschaft stellt Jesus dieses Wort. Ohnmächtig, gefangen, wehrlos steht Jesus vor dem Vertreter des mächtigsten Mannes der damaligen Welt, des römischen Kaisers. Und wie zum Spott ließ der Statthalter des Kaisers oben am Kreuz Jesu eine Tafel anbringen, auf der auf Hebräisch, Lateinisch und Griechisch geschrieben stand: Jesus von Nazareth, König der Juden.
Ein König ist nur König, wenn er ein Königreich hat, über das er herrscht. Jesus hat so oft vom Königreich Gottes gesprochen, das er auch das Himmelreich nannte. Wo ist dieses Reich? Ist es nicht ein Traum, eine Täuschung? Er hat den Menschen versprochen, dass sein Reich kommen werde und mit ihm Gerechtigkeit und Frieden. Er hat aber auch davon gesprochen, dass sein Reich klein anfängt, klein wie ein Senfkorn, dass es wachsen wird, aber oft verborgen bleibt. Vor Pilatus hat Jesus schließlich gesagt: Mein Königtum, „mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Wo ist es dann?
Das heutige Evangelium gibt uns eine Antwort. Sie berührt seit eh und je die Herzen. Sie hat ihren Ausdruck gefunden in zahllosen Darstellungen, Kreuzwegen, Kalvarienbergen, vor allem aber in den Worten Jesu zu dem rechts neben ihm am Kreuz hängenden Verbrecher. Nach alter Überlieferung hieß er Dismas. Nur der Evangelist Lukas berichtet, was sich zwischen ihm und Jesus ereignet hat. Während der andere Verbrecher, der links von Jesus gekreuzigt war, in den Spott der Soldaten über Jesus einstimmt, weist ihn Dismas zurecht: „Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.“ Und an Jesus gewandt: „Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“
Der „rechte Schächer“, wie er auch genannt wird, sieht also offensichtlich in Jesus wirklich einen König, und er glaubt, dass dieser König ein Reich hat, in das er bald kommen wird. Wo ist dieses Reich? Wie sieht es aus? Wie hat Dismas es sich vorgestellt? Er weiß, dass er selber genauso wie Jesus nicht mehr lange leben wird. Bald wird die Qual der Kreuzigung zu Ende sein. Der Tod wird beiden ein gnädiges Ende bereiten. Was kommt danach? Er glaubt, dass Jesus dann wirklich König sein wird. Und er hofft, dass Jesus ihn, den elenden Verbrecher, dann nicht vergessen wird. Er bittet Jesus, dass er ihm in seinem Reich einen Platz gewährt.
Drei persönliche Folgerungen: Glaube ich, dass Jesus wirklich König und Herr ist? Glaube ich so vertrauensvoll wie Dismas, dass Jesus auch für mich in seinem Reich einen Platz hat, trotz all meiner Fehler? Und schließlich: Ist es nicht ein Trost daran zu denken, dass der Erste in Jesu Reich ein reuiger Verbrecher war? „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!“
Das Volk stand dabei und schaute zu; auch die führenden Männer verlachten Jesus und sagten: Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Christus Gottes ist, der Erwählte. Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann rette dich selbst! Über ihm war eine Aufschrift angebracht: Das ist der König der Juden. Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich selbst und auch uns! Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen. Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst! Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.
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