Darin besteht Einmütigkeit: Die Taufe verbindet uns mit Jesus Christus zu einer tiefen Lebensgemeinschaft.
Darin besteht Einmütigkeit: Die Taufe verbindet uns mit Jesus Christus zu einer tiefen Lebensgemeinschaft.
Gedanken von Kardinal Christoph Schönborn zum Evangelium am Sonntag,12. Jänner 2020 (Mt 3,13-17)
Im vergangenen November durfte ich Gast der Baptistengemeinde in der Mollardgase in Wien sein. Anlass meines Besuchs war die 150-Jahr-Feier der Gründung dieser Gemeinde. Dass der Wiener römisch-katholische Erzbischof von einer „Freikirche“ eingeladen wird, und dass er die Einladung mit Freude annimmt, das wäre wohl im Gründungsjahr 1869 undenkbar gewesen.
Die Baptisten haben eine leidvolle Geschichte. Ihre Anfänge gehen auf die Zeit der Reformation zurück. Manchen war die Reform, die Martin Luther betrieb, zu wenig radikal. Die „Wiedertäufer“ wollten ein entschiedenes, kompromissloses Christentum. Eines ihrer Kennzeichen war und ist bis heute die Ablehnung der Kindertaufe. Denn sie nahmen das Wort Jesu wörtlich: „Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet.“ Glauben kann nur, wer sich selber frei für den Glauben entscheidet. Ein Neugeborenes kann das noch nicht, daher kann es auch noch nicht gültig und sinnvoll getauft werden.
Luther lehnte die „Wiedertäufer“ entschieden ab. Sie wurden von Protestanten wie Katholiken heftig verfolgt, vertrieben und oft auch getötet. Die Täuferbewegung lebte trotzdem weiter und fand immer wieder Freiräume, wo sie sich entwickeln konnte, etwa in England und vor allem in den USA. Heute sind die Baptisten, die „Täufer“, eine große weltweite Familie im Kreis der christlichen Kirchen. Die Herzlichkeit der Begegnung mit der Baptistengemeinde behalte ich in dankbarer Erinnerung.
Wie war es möglich, dass über die Frage der Taufe Christen sich untereinander so bekämpfen konnten? Hat die Taufe nicht einen gemeinsamen Ursprung, den wir heute feiern? Weil Jesus sich selber von Johannes im Jordan taufen ließ, wurde die Taufe das Tor zur Gemeinschaft mit Christus. Ohne Taufe kein Christentum. Jesus selber hat das mit seinem feierlichen Auftrag bekräftigt: „Geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes … und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ Müssten sich nicht alle Christen darin einig sein, dass die Taufe unser aller gemeinsames Fundament ist?
Darüber besteht Einigkeit! Nicht eins sind wir in der Frage, ob auch Kinder getauft werden können oder gar sollen. Alle traditionellen Kirchen, ob katholisch, orthodox oder protestantisch, kennen und praktizieren die Kindertaufe. Die „Freikirchen“, Baptisten, Pfingstgemeinden, halten die Erwachsenentaufe für den Weg, der Jesu Willen entspricht. Wer hat Recht? Gott sei Dank sind wir heute so weit, dass wir einander über diese Frage nicht mehr gegenseitig verfolgen. Denn darin besteht Einmütigkeit: Die Taufe verbindet uns mit Jesus Christus zu einer tiefen Lebensgemeinschaft. In der Taufe sagt Gott zu uns ganz persönlich, was er am Jordan zu Jesus gesagt hat: „Du bist mein geliebter Sohn“, mein geliebtes Kind!
Warum ich die Kindertaufe für sinnvoll halte? Ich wurde schon zwei Tage nach meiner Geburt getauft. Es ist schön zu wissen, dass von so früh an Gott durch die Taufe zu mir gesagt hat: Du bist mein geliebtes Kind! Es braucht manchmal ein Leben lang, um wenigstens zu ahnen, wie sehr wir als Gottes Kinder von ihm geliebt werden. Oft wird das erst in reiferen Jahren bewusst. Dann ist es stimmig, das eigene Leben ganz in Jesu Hand zu legen, wie er es am Jordan bei seiner Taufe Gott seinem Vater gegenüber getan hat.
Zu dieser Zeit kam Jesus von Galiläa an den Jordan zu Johannes, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes aber wollte es nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen. Da gab Johannes nach. Als Jesus getauft war, stieg er sogleich aus dem Wasser herauf. Und siehe, da öffnete sich der Himmel und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und siehe, eine Stimme aus dem Himmel sprach: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe.